von Salomus
Ich bin noch immer im Schuppen meines Kindheitfreundes Martin. Wir spielen Räuber und Gendarm, ich bin ein Räuber. Im Dunklen des Schuppens versuche ich so leise wie möglich zu atmen, um mich nicht zu verraten und die draußen vorbeihuschenden Schritte auf den bepflasterten Wegen zu hören. Die Polizei ist barfuß unterwegs. Eine Spannung liegt in der Luft. Ich weiß ungefähr, wo sich Martins Schwester versteckt, habe aber keine Ahnung, ob sie schon gefangen ist oder nicht. Es riecht nach Öl und neuem Rasenmäher, ich sehe Gartenwerkzeug und blaue Planen, viel das man berühren kann, ein Stolperhaus mit dreckigem Boden und stickiger Luft, aber das ist mir egal, das Versteck ist gut. Vielleicht auch zu gut. Ich trenne mich von der Metallschaufel, die sich hier mit mir verborgen hat, die ich lange angeschaut habe und spähe durch den Türspalt. Sieht sicher aus. Ich renne leise zur Kellertür. Das heimliche Herumschleichen ist immer das Beste. Durch den Keller die Treppe nach oben. Katzengeruch. Katzenstreu. Orange Holzmöbel und dunkelgrüne Pflanzen. Die Küche mit der Fritteuse. Wieder in den Vorraum, raus zur Tür, die weißen Steintreppen in den Hintergarten. Da ist mein Schuppen, ich gehe zur Brücke. Der Fluss ist klein aber eisig kalt, manchmal haben wir hier gefischt und tatsächlich sogar Fische gefangen. Martin hat sich gut ausgekannt, sein Vater noch besser. Da sind diese Wasserpflanzen. Sie wuchern unnachgiebig am Flussgrund, als gebe es ihn gar nicht ohne sie. Eine zauberhafte Farbe, vor allem wenn die Sonne auf sie scheint, dann schimmern sie smaragdgrün. Bäume eines gut gekämmten Waldes, die friedlich im Wasser tanzen. Sie stören niemanden, manchmal schimmert eine Forelle hindurch. Auf der kleinen überdachten Brücke wie immer viele Spinnennetze. Wie oft ich schon hier war, weiß ich nicht mehr. Irgendwie haben die Familie, das Haus, der Garten und der Fluss eine ganz eigene Stimmung. Obwohl es nicht mein zu Hause ist, fühle ich mich sehr wohl und die Zeit vergeht immer zu schnell, sodass wir uns vor den Eltern verstecken, wenn sie uns abholen kommen.
Ich höre schnelle Schritte, da wird jemand gejagt! Schnell überquere ich den Fluss und verstecke mich hinter einem Baum, um mich herum Holzscheite. Die Schritte werden lauter und ich kann zuerst Martins Schwester mit einem lachenden, gehetzten Gesichtsausdruck vorbeisprinten sehen, sie läuft zur Haustür. Dann gleich hinterher meine eigene Schwester, zielgerichtet und entschlossen.
Auf einmal ist Martin neben mir: „Hab dich.“
© Salomus 2023-01-21