versunken

Constanze Woidschützke

von Constanze Woidschützke

Story

Kalter Schweiß läuft mir über den Rücken, mein Atem geht stoßweise, mein Puls rast. Ich ducke mich weg, richte mich wieder auf und renne weiter. Die Sicht ist nicht gut, nur einige Meter weit und der Untergrund gefährlich uneben. Jetzt ja nicht stolpern. Dann kann ich ihm nicht entkommen. Und das muss ich. Dieses Mal muss es klappen.
„… ist fertig!“ Was? Also, wo war ich? Ich schaue nach links und rechts, niemand zu sehen. Ich verlangsame mein Tempo und versuche meinen Pulsschlag zu beruhigen, einen Plan zu schmieden, wo ich unterkommen kann und wenn es nur für eine Nacht ist. Ich bin zu spontan aufgebrochen, aber die Chance hätte sich kein zweites Mal ergeben. Das Szenario hab ich so oft durchgespielt, das es sich vertraut anfühlt, aber jetzt, wo ich ihm wirklich entkommen konnte, doch anders. Irgendwie.
„… du mich?“ Das kann doch nicht … „Hallo, hörst du mich? Das Essen ist fertig.“ Schmunzelnd stehst du an den Türrahmen gelehnt und wartest, die Arme vor der Brust verschränkt. Ich kann spüren, wie meine Gesichtszüge entgleisen, als ich dich ansehe. „Was? Wie? Klar. Ich schreib’ nur schnell den Absatz zu Ende?“ Du hebst deine Augenbrauen. „Nee, hast recht, ich speicher nur schnell und komme sofort.“ „Sofort. Ich bin gespannt“, antwortest du und lachst in dich hinein.

Ich fühle mich gehetzt und merke, wie ich das Essen hinunterschlinge. „Süße, es rennt nicht weg und ich glaube, dein Körper freut sich mal über eine warme Mahlzeit.“ Recht hast du. Ich kaue langsamer und bewusster und atme einmal tief ein und aus. Jetzt erst nehme ich die Gewürze und Gerüche wahr, sehe den liebevoll gedeckten Tisch und höre die leise Musik im Hintergrund.
Ich lehne mich zurück und schaue dich an. „Dankeschön“, sage ich leise, aber bestimmt. „Danke, dass du das mitmachst, meine Launen und Abwesenheit erträgst und es so schön für uns machst.“ „Gerne doch“, du lachst. „Hey, was gibt es da zu lachen?“, frage ich dich gespielt empört. „Du müsstest dich da einfach mal sehen.“ Anscheinend schaue ich etwas verständnislos. „Du bist völlig versunken, hakst auf den Laptop ein, als hätte er etwas verbrochen. Wahrscheinlich hätte ich dich wegtragen können und du hättest es nicht gemerkt.“ Wieder unterbricht dich ein Lachen und ich falle mit ein. Wie recht du hast. Seit Tagen schreibe ich an diesem letzten Kapitel und ich bin gar nicht im Hier und Jetzt. In einer Parallelwelt abgetaucht. Ich vergesse zu essen, wenn wir unterwegs sind, diktiere ich meinem Handy murmelnd meine Einfälle und während ich darauf warte, dass mir eine ganz bestimmte Formulierung einfällt, wippe ich vor dem Laptop meinen Oberkörper vor und zurück. Meine Haare müssten auch mal wieder gewaschen werden, aber ich wollte doch nur noch, dieses eine Kapitel … es ist wie ein Rausch. Ich bin im Schreibtunnel und ich liebe es. Aber es verlangt auch einiges ab. Mir, meinem Körper und auch dir.
„Erzähl mal, oder magst du mich überraschen?“ „Nein, gerne … es klemmt eh grade etwas“, sage ich kauend. Und dann nehme ich dich mit in die Geschichte hinein. Wir diskutieren eine Stelle, du googelst eine Entfernung, es wächst und wird runter.
Ich verspreche dir in Gedanken, das heute der Laptop ausbleibt und der Abend uns gehört. Ich dann lasse ich meine Gedanken los. Morgen wieder.

© Constanze Woidschützke 2024-12-19

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Emotional, Komisch, Hoffnungsvoll
Hashtags