von Daniela Krammer
Hirnstau. Zwischenwelt. Ich sehe mir zu und und zerkugel mich über mich – und bin völlig verzweifelt dabei. Wie konnte es nur soweit kommen! Der Müller GrüVe aus dem Kremstal schmeckt zum Glück fantastisch, also bitte einfach noch ein Glas.
Kommunikation läuft aus dem Ruder. Dünne Häute, zierliche Seile aus Nervendrähtchen allerorts. Echauffieren über Baumarkt Steher oder über Echauffierer über Baumarkt Steher. Let’s dance.
„Kopf hoch, alles wird gut.“ Habe ich probiert, jeden Tag wieder und wieder und wieder. Aber die Schulter sagt: „Was soll ich mehr schleppen als mein Saxofon? Aus jetzt mit den Sorgen der Welt!“ Und was soll ich sagen, die Schulter hat gute, sehr schmerzhafte Argumente. Und das Luder weiß, dem Sax spielen und der Musik ordne ich alles – und zwar wirklich alles – unter. Jedenfalls seit meine Kinder groß genug sind.
„Dann lass die Welt da draußen verrückt spielen und kümmere dich um die Musik. Übe! Komponiere! Sei kreativ!“ Können vor Lachen. Höhnisch lacht mich das leere Notenblatt an, verächtlich grinst meine Selmer Lady. Jede Melodie schon gemacht, jeder Ton schon gespielt. Und wage es nicht, dein Leid, deinen Kummer hier einzufangen! Was soll das für ein Leid sein, hier in diesem netten kleinen Haus mit Garten, während in Moria und auf Lesbos….stop.
Welchen Sinn hat es, Leid zu vergleichen? Kann ich mitfühlend sein, wenn ich mich weigere, mein eigens Leid zu spüren? Meine Verletztheit, meine Verunsicherung? Mich in Arbeit zu stürzen – wie verlockend. Aber wo führt mich das hin?
Im Sumpf Sackhüpfen – so hat Matthias Strolz es genannt. Wie treffend. Wo ist der Boden, der sichere, von dem sich abstoßen, Schwung holen lässt? Ein Versuch hier, ein Versuch da – wird irgendwas davon „etwas werden“?
Da die Stimme in meinem Kopf, die sagt: „Stell dir vor, es wird wie vorher. Wie schrecklich. Wieder Konsum bis zur Besinnungslosigkeit und Flüge um 19 Euro nach Barcelona. Wieder dieses Abwägen von Menschenleben in Nützlichkeit. Wieder diese Unachtsamtkeit der Einzigartigkeit eines jeden.“ Und die andere Stimme, die sagt: „Ja, aber…“ „Was ja aber? Was für ein ja-aber kann es hier geben?“
„Ja aber ich habe Angst. Ich weiß nicht wo es hin geht. Worauf ich mich verlassen kann.“
Verlassen? Nicht verlassen – was für ein unsicheres Wort. Ich verlasse dich. Ich verlasse mich auf dich. Ein Wechselbalg, der dich übers Ohr haut. Vertraue. Spüre, wie das Wort dich trägt. VERTRAUEN. Nichts, worauf du dich niederLASSEN musst, sondern etwas, dem du TRAUEN kannst. Ein Wort mit Flügel- oder?
Verletzlichkeit zeigen. Mir selbst und anderen. Es ist ein Versuch. Denn die Saxolady ist immer perfekt, immer unnahbar, immer gut drauf. Aber wie wird sie diese Zeit überstehen? Darf auch sie wachsen? Darf ich ganz werden?
Wenn ich es mir erlaube.
© Daniela Krammer 2020-04-15