Viele Sandkörner haben wir gesehen.

SuzukiOma

von SuzukiOma

Story

Wir sind schon ewig lange auf der Welt und kommen eigentlich aus Griechenland, im Grunde wissen wir es nicht. An unseren Geburtsort können wir uns nicht erinnern und die Sprache rings um uns verstanden wir ja sowieso nicht, wir waren doch eben erst aus einer Maschine geschlüpft! Auch das Zeichen ist durch das oftmalige Verwenden, worauf wir sehr stolz sind, nicht mehr eruierbar. Fest steht, dass wir des Wiener Dialekts mächtig sind (übrigens, man nennt uns hier “Schlapfn”), denn die meiste Zeit unseres bisherigen Lebens verbrachten wir in Österreich.

Natürlich durften wir bei jedem Urlaub mit, das war ja fast Pflicht, denn viele Jahre verbrachten wir diese schöne Zeit in Griechenland. Irgendwie kamen schon heimatlichen Gefühle auf, wenn wir so durch den Ufersand schlenderten. Ach, der war oft so heiß, dass wir über jede Meereswelle jauchzten, die uns benetzte. Auch unser Schwesternpaar, getragen von der Frau unseres Besitzers, war mit der Umgebung sehr zufrieden, wie gesagt, eine bekannte Brise umwehte uns. Oft fragten wir uns, wie viele Sandkörner kontaktierten wir wohl im Laufe dieser Zeit? Unsere Pflege war sehr einfach, nur eine Wasserspülung genügte und wir glänzten mit der Sonne um die Wette. Selbst die Haltbarkeit war garantiert, bestanden wir doch aus Gummi ähnlichem Material, also fast unzerstörbar!

Nun ja, irgendetwas machte es unseren Besitzern unmöglich, weiterhin den Urlaub in Griechenland abzuhalten. Sie nannten es “Krieg in Jugoslawien” und bezeichneten es als menschliches Drama.

Aus diesem Grund wurde nun ein Campingplatz in Österreich gesucht und auch gefunden, der Ort hieß Wilhelmsburg an der Traisen und war nicht allzu weit von Wien entfernt. Was auch nicht schlecht war, denn oft hatten unsere Herrschaften nicht die gleiche Urlaubszeit bewilligt bekommen und konnten sich am WE jeweils besuchen. Uns machte es nichts aus, wir fühlten uns hier auf jeden Fall wohl. Der Untergrund war anders, Gras und etwas Steine. Natürlich war es auch kein Salzwasser mehr, das uns umspülte, reines Chlorwasser bekamen wir ab, wenn wir das nebenan liegende Bad besuchten, doch man gewöhnt sich an alles.

Dann jedoch geschah es. 1997 = Hochwasserkatastrophe im Traisental! Unser Campingplatz glich einem Trümmerhaufen, es war furchtbar. Noch dazu verlor ich meinen Bruder, er wurde vom Wasser weg geschwemmt. Unser Besitzer war ein hilfsbereiter Mensch und half so manchem verzweifelten Camper, das Gute kam auch prompt zurück. Beim Entfernen eines WW fand er meine verloren geglaubte zweite Hälfte, wir hatten unglaubliche Freude. So wanderten wir weiter, halbwegs gereinigter WW, eingerissenes Vorzelt, vieler Einrichtungsgegenstände verlustig, da durch Schlamm und Unrat unbrauchbar geworden, und landeten am Ratzersdorfer See. Dort war es schön und unsere Gemeinschaft blühte wieder auf.

Nun sehen wir unserem Ende entgegen, die Füße unseres Besitzers passen nicht mehr in unsere Riemen.

Sehr schade, lebt wohl!

© SuzukiOma 2022-07-03