von Maria Merimi
Ich wäre nicht Maria, die Abenteurerin, Schamanin, die Suchende auf dem spirituellen Weg, wenn ich einfach so zufrieden sein könnte. Ich war überwältigt von dem Gefühl wieder einen geliebten Mann an meiner Seite zu haben. Es gab aber noch die andere Seite, die gelebt werden wollte. Aus meinen Erfahrungen wusste ich, dass diese Seite auf keinen Fall vernachlässigt werden darf. Ich bin seit Jahren in Gruppen und Verteilern von Menschen, die einen spirituellen Weg gehen. So erhielt ich eines Tages eine Mail, die mir keine Ruhe mehr lies. Es wurde eingeladen zu einer Reise nach Estland mit der Überschrift „Reise zum Ursprung“. Mein Interesse war geweckt, nach Estland wollte ich schon lange. Der Text zog mich magisch an. Tallinn kennenlernen, eine nächtliche Kanufahrt auf den Mooren, Wanderungen durch die mystische Moorlandschaft. Das Wichtigste ein Zusammentreffen mit örtlichen Schamaninnen. Und, wir würden beim Aufbau der Schwitzhütte im Wald helfen. Ich hatte schlaflose Nächte und wollte diese Idee verbannen. Indes war ich völlig verzaubert endlich Estland kennenzulernen. All die Dinge zu erleben, über die ich gelesen hatte. Nachts erlebte ich in meiner Vorstellung und in meinen Träumen das Dahingleiten des Kanus im dunklen Moorwasser, der Mond erhellte das silbrig schimmernde Wasser und schien auf mich herab. Leben ist das, was jetzt passiert! Nur was du heute auf den Weg bringst, kann morgen Wirklichkeit werden. Wie sage ich es Bert, fragte ich im Stillen. Die Antwort kam prompt „in dem du einfach sprichst!“ Nach einer weiteren Nacht, die ich zwischen Wachen, Denken und Träumen verbracht hatte, sprach ich morgens das Thema ganz locker an. Ich erzählte von der Mail und, dass ich mir einen Herzenswunsch erfüllen möchte. So nahm das Schicksal seinen Lauf.
Ende Juli 2014 verabschiedete ich mich von Bert, der mich nach Frankfurt zum Flughafen gebracht hatte. Das Abenteuer konnte beginnen. Angela, Anne, Anneliese, Elisabeth und Susanne waren meine Reisebegleiterinnen an Bord und für die nächsten 14 Tage. Ylle war schon vor Ort und holte uns bei unserer Ankunft in Tallinn am Flughafen ab. In Estland ist der Schamanismus noch lebendig. Aus Holz geschnitzte Trolle und Kobolde verzieren manchen Vorgarten. Elfen tanzen auf Waldlichtungen. Der Himmel spiegelt sich in dunklen Moorseen. Wälder, schön in ihrer Wildheit, locken auf unerschlossenen Pfaden. Die Reinheit und Ursprünglichkeit mancher Landstriche entfalten eine Magie, die Märchen und Mythen lebendig werden lassen. Sie wecken das unbeschwerte, freudvolle Kind. Und ja, das Programm hatte nicht zu viel versprochen, eher zu wenig. Denn die Tage waren so ausgefüllt mit Schönheit und Abenteuer, dass ich damit noch weitere Geschichten füllen könnte.
Am 5. Reisetag machten wir ein ganz besonderes Ritual. Nachdem wir am Tag zuvor eine Schwitzhütte gebaut und eingeweiht hatten, ist heute die Zeit nach innen zu gehen. Es geht darum, tief im Inneren einen Herzenswunsch zu finden, der noch gelebt werden will. Das Ergebnis dieses Rituals bringt mich zum Weinen und Staunen, führt mich auf einen Weg, der mich noch einmal nach Brasilien führen wird. Aber das ist mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich bewusst.
© Maria Merimi 2025-03-23