Vielleicht-Irgendwann

Svenja Pilger

von Svenja Pilger

Story
2020

Es ist Sonntag der 05. Juli. Ich liege noch halb schlafend im Bett, als mein Freund mir per Whatsapp schreibt, dass er gegen 16Uhr mit einer Sushi-Platte zu mir kommt. Ein perfekter Sonntag, ohne Verpflichtungen oder Stress liegt vor mir.
Plötzlich klingelt mein Handy: Marie ruft an.

Ich schaue verwirrt auf das leuchtende Display. Komisch. Mit Marie hatte ich gar keinen Kontakt mehr. Sie war eine Freundin meines Kumpels Luis. Luis war mein „Vielleicht irgendwann“. Vielleicht-wird-irgendwann-mal-was-aus-uns. Wir haben uns mit etwa 17 kennengelernt und hatten – wie es sich für Teenager gehört – herzzerreißende Dramen. Von Küssen, die nach Zigarette schmeckten um 4Uhr morgens auf irgendeinem Balkon, über sonnige Nachmittage im Park und zusammen tanzen gehen, bis hin zu Tränen, Liebeskummer und sich nicht-verstanden fühlen, weil es eben doch nie für etwas Ernstes reichte.  Letzteres zugegeben eher auf seiner Seite als auf meiner. Seit über 1 Jahr hatten wir bereits keinen engen Kontakt mehr. Genauer gesagt, seit ich mit meinem Freund zusammenkam, den ich von Herzen liebe und der ihm, wie er mir dramatisch auf einem Parkplatz entgegen brüllte „scheißegal sei, weil er wollte, dass ich mit ihm zusammenkomme“. Ich weiß noch, wie es mich innerlich zerrissen hat ihn so zu sehen. Zugegeben, ich hatte bis Dato noch nie eine ernste Beziehung, doch ich glaube, dieses Mal hat auch er gemerkt, dass es mit meinem neuen Freund etwas Anderes ist. Etwas Schöneres und Wichtigeres, weshalb er alles auf eine Karte gesetzt hat. Doch dieses Mal hat er verloren und wir haben uns nie wieder getroffen. Während ich in meine Gedanken vertieft war, hat mein Handy längst aufgehört zu klingeln. Ich denke mir nicht viel dabei, halte es sogar für besser nicht abgehoben zu haben. Was hätte Marie mir auch Wichtiges mitteilen können? Ich verbringe den ganzen Tag zwischen Trash TV und Instagram auf der Couch, bis mein Freund mit der versprochenen Sushi-Platte zu mir kam, um gemeinsam mit mir die Woche ausklingen, zu lassen. Als die Sushi-Platte leer war, schaute ich auf mein Handy. Darauf eine Nachricht von Nils. Auch ein Freund von Luis, noch dazu jemand, den ich früher nie leiden konnte. 20 Worte, die so nüchtern aneinandergereiht waren, dass sie ihrer Kraft nicht gerecht werden:

„Hi, ich bin mir nicht sicher, ob dich schon jemand erreicht hat. Luis ist tod, du solltest es Wissen.“

Ich muss die Nachricht mehrfach lesen, ehe ich begreife, was die Bedeutung der Worte ist. Aus diesem Grund hatte mich Marie versucht zu erreichen, schoss es mir durch den Kopf. Und ich bin nicht dran gegangen, dachte ich weiter. Meine Gedanken überschlagen sich. Wir hatten so lange keinen Kontakt. Bei unserer letzten Begegnung war ich so kalt. Ich will schreien, doch das einzige ich zustande bringe, ist ein lautes Jauchzen. Mein Freund schaut auf mein Handy und liest die Nachricht. Er fängt mich auf. Etwas was Luis so gerne für mich getan hätte und vielleicht auch täte, wenn ich mich nicht gegen ihn entschieden hätte. Ich hoffe, wir sehen uns eines Tages wieder. Vielleicht irgendwann.


© Svenja Pilger 2023-06-28

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Dunkel, Emotional, Traurig, Dark
Hashtags