Nach fünf Jahren, die ich berufsbedingt in Wien verbracht habe, sollten mich meine Wege wieder zurück nach Kärnten führen. Eigentlich war mein Aufenthalt in Wien ursprünglich ja nur für ein halbes Jahr geplant gewesen. Ich sollte in dieser Zeit eine fundierte Ausbildung erhalten und erste Erfahrungen in Projekten bei der Einführung elektronischer Datenverarbeitung sammeln, um diese dann in Kärnten einsetzen zu können. Aber für das Unternehmen, das mich eingestellt hatte und bereit war, diese Ausbildung zu finanzieren, waren meine davor gemachten Erfahrungen so wichtig, dass man mich dazu „motipuliert“ hat, meinen Aufenthalt in Wien deutlich zu verlängern.
Dann sollte es demnächst so weit sein. Eine neue Funktion war fixiert, eine passende Wohnung gefunden und auch schon mit Möbeln ausgestattet. Bei der Organisation, die damals „Österreichische Post- und Telegraphenverwaltung“ hieß und mehr ein Amt als ein Unternehmen war und für die Versorgung der Nation mit Telefonen zuständig und allein berechtigt war, wurde ein Telefonanschluss bestellt.
Telefonanschluss hieß damals Festnetz, mobile Anschlüsse mit Geräten, die man einstecken und mitnehmen konnte, gab es noch nicht. Weil das Telefonnetz damals auch noch nicht besonders ausbaufähig war, gab es für die meisten Privatanschlüsse das „Vierteltelefon“, das bedeutete, dass sich vier regional nahe Telefone eine Leitung teilten und eine Rufnummer hatten, die sich nur an der letzten Stelle von den anderen drei „Teilnehmern“ unterschied. Das hieß aber auch, dass immer nur einer davon gleichzeitig telefonieren konnte.
Weil an unserem Anschluss eine „Teilnehmerin“ oft stundenlang mit ihrer Verwandtschaft telefoniert hat, besonders dann, wenn man gerade ein Taxi rufen wollte, konnte das durchaus ein Anlass für Konflikte sein. Aber ich will nicht vorgreifen.
Von Mobiltelefonen, wie sie für uns heute selbstverständlich sind, die bei den englisch sprechenden Europäern „Mobiles“ heißen und bei uns „Handies“ (weil angeblich ein Baden-Württemberger angesichts des ersten Gerätes im Dialekt die Frage gestellt hat, ob denn die kein Kabel hätten), konnten wir damals noch nicht einmal träumen.
Und so saß ich an meinem Arbeitsplatz in Wien, als mich ein Anruf eines Mitarbeiters der „Österreichischen Post- und Telegraphenverwaltung“ erreichte. Er berichtete, er sei gerade in meiner Wohnung und dabei, das Vierteltelefon zu installieren. Und da stelle sich die Frage, ob ich denn lieber ein 3-Meter-Kabel oder ein solches mit 6 Metern haben würde. Ich war überrascht und begeistert von soviel Service-Denken und bat ihn, auf Grund der räumlichen Situation der Wohnung um ein 6-Meter-Kabel.
Als ich am darauffolgenden Wochenende wieder in der Wohnung war, konnte ich nur noch zur Kenntnis nehmen, dass das installierte Kabel 1,5 Meter lang war.
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© Walter Lepuschitz 2021-10-19