von Daniela Neuwirth
Er lacht herzlich und laut, klopft sich auf die Oberschenkel. „Ja, von mir! Ist das akzeptabel für Madame?“, antwortet Ginas Mr. Big auf der Nachbarin Frage. „Uhhh, Gina! Hot!” Lica fächert sich Luft zu mit einem Heftchen, das wahrscheinlich direkt neben ihr gelegen hat. „Du kannst die Wohnung haben.“ Lica macht so eine indische Geste und kleine Verbeugung, wie es gerade im Trend liegt und ein respektvolles Dankeschön signalisieren soll.
„Du weißt, wo der Schlüssel liegt?”, fragt Gina. „Du kannst meine Sachen einfach in die Koffer packen, dann hast Du Platz für Deine.” Lica feiert die frohe Botschaft. „Das wird mein Happy Place. Du kommst uns oft besuchen dann!“ „Und diese Insel hier meiner und Du kommst zu uns im Sommer!“ Die beiden Freundinnen winken sich. Die Verbindung endet.
Das Naturschauspiel der zauberhaften Dünenlandschaft hat die Aufmerksamkeit wieder völlig für sich zurückgewonnen. Was Lica in der Wohnung mit Ginas Kleidungsstücken macht, übernimmt Mr. Big in der Ferienwohnung, als die Möwen die unaufhörlichen Weckrufe starten und den neuen Tag damit einkreischen. Innerhalb kürzester Zeit hat er beide Gepäckstücke fertig, die Rechnung beglichen, den Wagen vorgefahren und ihr die Tür zum Beifahrersitz geöffnet.
Gina kommt sich vor, als wird ihr Leben nicht mehr nur von ihr alleine gelebt, was sich aber gar nicht so schlecht anfühlt. „Und wenn ich mich daran gewöhne?”, überlegt sie laut. „Kannst Du doch“, murmelt er, als er den Wagen startet und sie sich vom Friesenhaus entfernen, bald in einer der drei Einkaufsstraßen ankommen – in der mittleren. „Fußgängerzone. Radfahren verboten. Zufahrt nur für Hausbesitzer.” Sie smilen sich an.
„Das bist Du!“ Sein Wagen rollt fast lautlos über die Pflastersteine bis zum Eingang, wo neben der Treppe jeweils links und rechts davon ein Autostellplatz vorhanden ist – für kleinere Fahrzeuge jedoch. Er steht mit seinem Gefährt so eng an der Hausmauer, dass sie nicht mehr aussteigen kann, zu seinem Sitz klettert und aus dem Wagen hüpft. Er steht schon an der Haustür, sperrt diese auf, lässt die Tür offenstehen.
Mit einem Schwung hebt er sie hoch, greift mit der rechten Hand unter ihre Kniekehlen, trägt sie die wenigen Treppen hoch und über die Schwelle. „Gut?”, fragt er nach einem Küsschen. Als sie auf ihren Beinen wieder ankommt und aufrecht steht, wird ihr klar, dass es so weit ist. Dieses Mauerwerk, diese Räume, diese Lage wird ihr neuer Platz, an dem sie sich aufhalten wird.
Sie fegen, wischen, putzen und planen, was wo stehen soll, kann und wird. Er hat für die Nacht vorgesorgt, denn im Kofferraum befinden sich zwei große Luftbetten, die nun laut von brummenden Motoren aufgeblasen werden und sich mit seiner mitgebrachten Bettwäsche in ein annehmbares Ersatzbett verwandeln, bis neue Möbel ausgesucht sind. Sie schiebt ihr Luftbett so nahe es geht an seines und ist froh über die große Liegefläche. Seine Bettwäsche ist flauschig und fühlt sich gut an. „Schlaf gut, John-Boy.”
© Daniela Neuwirth 2023-04-18