Vinifikation

Margit Schinerl

von Margit Schinerl

Story

„Die Vinifikation geschieht dann hier in Ihrem Keller?“ Wurden wir eines Tages von einem Nachbarn gefragt. Ja, wo denn sonst, in der Küche passiert das nicht. Hier wird eingekocht und fermentiert. Doch das ist eine andere Story.one.

Seit etwas mehr als 20 Jahren. Beide Ehepartner entstammen weinaffinen Familien und die Trauben fallen ja nicht weit. Vom Weinstock. Zu Beziehungsbeginn eher interessant für romantische Spaziergänge in den Weinbaugebieten, entwickelte sich daraus mehr. Sowohl aus der Liebes- als auch aus der Weinbeziehung. Bezeichnend etwa, dass der erste komplett fertige Raum im Haus der Weinkeller war.

Eine alte händische Weinpresse und eine Traubenmühle, ursprünglich das Hochzeitsgeschenk der Eltern, durften wir nun verwenden. Ein kleiner Weingarten ist auch da – der von den Spaziergängen. Was also lag näher, sich mit Riesling und Chardonnay zu beschäftigen.

Der Rebschnitt im Winter ist die erste Arbeit im Jahr. Dies ist eine heilige Angelegenheit, jeder Weinhauer hat seine eigene „richtige“ Wissenschaft, hängt doch der Erfolg oder Misserfolg der Lese zu einem Großteil davon ab. Die Alten schauen den Jungen mit äußerst kritischem Blick über die Schulter. Zwei Strecker, zwei Zapfn. So habs ich von meinem Papa gelernt.

Gehen Väter von Töchtern anders damit um als es Väter von Söhnen tun?

Frühjahr. Sommer. Alles wächst wie wild, der Boden will bearbeitet werden. Allseits gefürchteter Hagel hat unsere Region heuer verschont. Ungeziefer und Krankheiten müssen vermieden werden. Arbeit. Arbeit.

Herbst. Unbestritten das Highlight im Weingartenjahr. Die Weinlese ist immer eine Aufregung, passt das Wetter, haben wir genug Leser und Leserinnen? Wieviel Zuckergrade wiegt der Veltliner? Der Nachbar prahlt mit 19 Grad. Zur Jause gibt’s den traditionellen Sardinenaufstrich nach dem Rezept meiner Oma. Man ist froh, es ist wieder geschafft zu haben. Es folgt Traubenmühle, Most, ab ins Fass, Sturm, Federweißer heißt er auf Germanisch. Steirisch genießt man Maroni dazu, Erdäpfel andernorts. Seitens der Schreiberin sei hier zur Vorsicht beim Sturmkosten gemahnt. Nun kommt die Vinifikaktion wieder ins Spiel, es ist wichtig, alle paar Tage kontrollierende Weinkellerbesuche zu machen. Hat der Wein einen „Böckser“, ist rasches Agieren angesagt. Alles schon vorgekommen und gelöst. Wir kontrollieren und messen, nicht täglich aber mehrmals wöchentlich. Zuckergrade und Säure sind die wichtigsten Parameter.

Im Frühjahr wird filtriert, das heißt, durch Filter gelassenen Wein in Flaschen füllen und etikettieren. Eine schöne Tradition ist, dass bei uns jedes weibliche Familienmitglied ein persönlich geschnitztes Holzfass besitzt.

Mmmh, ja, wie beschreibt man die Geräusche bei einer Weinverkostung, schmatzen, pracken, schlucken, schlürfen… gut ist er wieder geworden, süffig, säurebetont und trocken ausgebaut.

Genauso wie ich ihn mag. Und der Nachbar bekommt auch ein Fläschchen zur Probe.

© Margit Schinerl 2021-04-24

Hashtags