„Vögel verstehen“ ist der Titel eines Buches, geschrieben von Paul Wernicke, illustriert von Kathrin Blum. Viele der darin beschriebenen Beobachtungen brachten mir neue Erkenntnisse, auch wenn ich über die Vögel zuvor schon viel gelesen hatte.
Das Phänomen des Schachtelbrütens bei Rotkehlchen war mir neu. Während das Männchen noch die Jungvögel der vorherigen Brut füttert, brütet das Weibchen schon wieder Eier der nächsten Generation aus. Zur Futtersuche hüpfen die Rotkehlchen am Boden und wühlen unter Blättern, sitzen auf einem Ansitz und jagen nach Mücken oder schwirren wie Kolibris vor Blütenkelchen, um Beute zu machen. Auch ihr Gesang ist bemerkenswert. Sie beherrschen 275 unterschiedliche Motive. Eine Singdrossel hingegen kennt nur 100.
Der Eichelhäher wiederum imitiert ausschließlich Greifvögel, die seine potenziellen Feinde sein können. Er gilt als der beste Gärtner und pflanzt mehr Eichen als es eine Baumschule mit Setzlingen vermag. Er versteckt 50% mehr Eicheln als er zu fressen vermag. Der Regen wäscht im Boden die Gerbsäure aus. Dadurch erst werden sie genießbar.
Von „Sternenrotz“ hatte ich auch noch nie gehört. Was Forscher im 15. Jahrhundert für die „sterblichen Überreste“ von Sternschnuppen hielten, stellte sich als ausgewürgte Nahrungsreste von Raubvögeln heraus. Mäusebussarde zum Beispiel fressen auch Amphibien und deren Laich. Letzteren können sie aber nicht verdauen und würgen ihn als „Sternenrotz“ wieder aus.
Plastik im Horst verweist übrigens auf den Rotmilan. Der Kolkrabe hingegen frisst das Plastik. Beides kann tödliche Folgen haben. Wernicke hat sich Gedanken darüber gemacht, warum die beiden Vogelarten oft in unmittelbarer Nähe zueinander brüten. Seine Erklärung: Der „Rote Baron“ und der „Schwarze Reiter“ jagen einander die Beute ab und fressen sich gegenseitig die Jungen aus dem Nest.
Die Mauersegler bezeichnet er als Luftikusse. Sie verbringen die ersten 3 Jahre ausschließlich in der Luft, selbst beim Schlafen, Fressen, Trinken, bei der Gefiederpflege und bei der Befruchtung. Nur ausbleibender Regen zwingt sie zur Landung, um zu trinken. Wernicke liefert auch eine Erklärung für den Kuckuck als Nestschmarotzer. Seine Hauptnahrung sind die haarigen Raupen der Prozessionsspinner. Sein Nachwuchs würde allerdings an dieser Nahrung ersticken. Die Insekten der Zieheltern sind da viel bekömmlicher. Auch die Beschreibung des Wendehalses hat mich fasziniert. Bei Gefahr wendet er seinen Hals um 180 Grad und zeigt seinen schwarzen Aalstrich am Nacken – eine perfekte Schlangenmimikry.
Ein „diebisches“ Elsternpärchen zupft unaufhörlich Fasern aus der Kokosmatte meines frisch angelegten Teiches und zerstört damit die Ausstiegshilfe für ins Wasser gefallene Tiere. Sollte ich sie vertreiben oder den Vogeleltern das Nistmaterial überlassen? Ich entscheide mich für Letzteres, auch wenn es mir schwerfällt. Gleiches Recht für alle: für die lieblichen Vögel, die uns mit ihren Gesängen verzaubern, und für die Verrufenen.
© Gabriele_Krele-Art 2024-04-02