von Diana Grace
Erwachsenwerden fühlt sich an wie seine stille Schwere, die einen niederdrückt. Eine vorher nie gekannte Schwere, denn im Kinderzimmer ist allies leicht und flauschig, wie die Kuscheldecke, die Papa vor dem Einschlafen um die Füsse gewickelt hat. Doch heute muss man die Decke selbst feststecken, und wie auch als Kind fühlt es sich einfach nicht gleich an, wenn man es selbst machen muss.
Eine Ode an Kaba, an warme Kuschelsocken und ins Bett von Mama und Papa flüchten nach einem Albtraum. Eine Ode an Barbiefilme und Songs auswendig können durchs viele hören und Bibi Blocksberg Kassetten. Eine Ode an die liebsten Sticker aufbewahren, da man sie für einen ganz besonderen Moment spart, an die in der Spielzeugabteilung verbrachten Stunden, an das klopfende Herz, wenn verboten noch in die Nacht gelesen wird. Eine Ode an die Freude, dass die Freundin zum Mittagessen vorbeikommen, an die Nachmittage voller Basteln in der Schule, an die Angst vor der ratternden Nähmaschine. Eine Ode an den Zaun am Wegesrand, der den Schulweg schützte und zu Ritterspielen einlud, an die Schulglocke, die die Freiheit in die Sitzbank wehte, an die Nachmittage der Langeweile, die von Büchern und Spielen und Stiften gerettet wurden. Eine Ode an die Fantasie, die heimlich Stunden raubte und durch Lachen die Schätze der magischen Welt teilte.
So fühlt sich die Kindheit an.
Und nun kommt das Erwachsenenleben. Nie wieder wird man morgens von Mamas Kuss geweckt, nie wieder von Papa durch die Luft gewirbelt. Nie wieder wird der kleine Bruder kleiner sein, nie wieder Carls geschaut. Die Stunden und Stunden von streitendem Spielen waren irgendwann vorbei, irgendwann wurde man zum letzten Mal mit Legosteinen beschmissen, irgendwann wurde man zum letzten Mal von kleinen Händen umarmt. Eines Tages erwacht das Bewusstsein, dass Eltern auch nur Menschen sind und Geschwister ein eigenes Leben zu bestreiten haben. Dann werden die Familienurlaube aufgeteilt, beim gemeinsamen Abendessen fehlt immer jemand. Die Vögel fliegen in die Welt hinaus und zurück bleibt nur…
…ein Gefühl der Leere an kalten Wintertagen und frühen Morgen ohne Gelächter. Ein Gefühlt der Sorge beim Anblick der Briefe statt der kindlichen Freude auf die lieben Worte der Grosstante aus dem fernen Berlin. Ein Gefühl der Einsamkeit beim Anblick der einzelnen Jacke auf dem Ständer der neuen Wohnung. Ein Gefühl der einengenden Freiheit, niemandem sagen zu können, wohin man geht und das Fehlen der Gewissheit, dass Zuhause jemand wartet.
So fühlt sich Erwachsen sein an.
Denn so wie es war, wird es nimmermehr. Das sanfte Schlaflied der Kindheit verstummt, die Autofahrten auf dem Rücksitz und rein getragen werden brennen in der Erinnerung in Abwesenheit, das sanfte Leuchten des Nachtlichts erlischt.
Denn die Vögel ziehen weiter.
© Diana Grace 2023-08-11