von MelodieX
Tommy
„Hmmmm, Baby“, raunte ich ihr ins Ohr, während ich ihr Parfum genüsslich einatmete. Es roch nach Zimt. Ebenso wie gestern, wie vorgestern und wie letzte Woche. Sie passte ihr Parfum immer der Jahreszeit an. Im Frühling trug sie ein Hauch von Maiglöckchen, im Sommer ein Duft von frischer Minze, im Herbst eine rauchige Pumpkin-Spice Note und im Winter eben Zimt. Seit letzter Woche war auch bei uns in West-Spark-River der Winter offiziell ausgebrochen. Die Straßen waren teilweise gesperrt aufgrund des vielen Schnees und der eisigen Kälte. Eiskristalle blühten nicht nur auf den Fensterscheiben auf, sondern ließen auch die Vorgärten zu Rutschbahnen werden. In den Backstuben der Familien zog ein Duft nach Lebkuchen, Brat-Äpfeln und frisch gebackenen Plätzchen ein. Für mich gehörte zum Winter auch immer ein Besuch in meinem Lieblingslokal dazu. Die bestbesuchte und wohlig-wärmste Backstube in unserem kleinen Städtchen war die „Bienchen Stube“ von Maja oder wie sie früher hieß, „Großmütterchens Backtraum“. Maja übernahm die Backstube vor knapp 3 Jahren, nachdem ihre Großmutter, traurigerweise, an Weihnachten verstarb. Wir alle waren zu tiefste bestürzt, als sich die Nachricht des Todes von genau der Großmutter im Städtchen verbreitete, die Weihnachten für uns alle zum liebsten Fest im Jahr gemacht hatte.
Ich erinnere mich gerne an die Weihnachtstage als kleiner Junge zurück, an denen ich nach der Schule „Großmütterchens Backtraum“ betrat und mir der Duft von frisch gebackenen Zimt-Plätzchen entgegenkam. Ich erinnere mich, dass ich Majas Großmutter immer mit ganz großen Augen anschaute und erwartungsvoll zwischen ihr und dem Blech Kekse hin und her schaute. Ihr fiel natürlich mein bettelnder Blick auf und keine drei Minuten später saß ich mit einer großen Tasse heißer Schokolade und den frischen, noch warmen Zimt-Plätzchen bei ihr hinterm Tresen.
Über die Jahre schwand jedoch meine Zeit in Großmütterchens Backtraum. Ich wünschte, ich wäre in den letzten Jahren vor ihrem Tod öfter zu Besuch gewesen. Aufgrund der Schule, dem Studium und anschließend den Frauen minimierten sich meine Besuche bei ihr auf ein bis zwei Male im Jahr. Die Nachricht ihres Todes erreichte mich, zu meiner Enttäuschung, auch nur durch einen Brief ihrerseits. Na ja, eigentlich kam er nicht direkt von ihr. Ihr Anwalt lud mich nach West-Spark-River, da sie mich anscheinend in ihrem Testament erwähnt hatte. Bis auf ein wenig Geld, ein paar alte Platten und CDs meiner Lieblingsbands und dem Zugang zur Garage, in der Ich als Jugendlicher ab und an übernachtete, wenn ich es nicht rechtzeitig schaffte den letzten Bus aus der Stadt raus zu meiner Studentenwohnung zu nehmen, erhielt ich ebenfalls ihr berühmt-berücksichtigtes Zimt Plätzchen Rezept. Da ich mit Backen jedoch noch nie so wirklich etwas am Hut hatte, überließ ich Maja das Rezept ihrer Oma. Zu meinem Erstaunen und gegen meinen eigentlichen Plan von vor drei Jahren, blieb ich in West-Spark-River und arbeitete aus der mittlerweile zu meinem Büro umgebauten Garage heraus für ein Unternehmen, dass sich auf erneuerbare Energie spezialisiert hat. Seit jeher, kam ich jeden Morgen zum Frühstücken in die „Bienchen Stube“ und genoss eines der warmen und saftigen Brötchen.
© MelodieX 2025-03-03