von Anna Fock
Berwang, Österreich, August 2002
Ich laufe an Mamas Hand, ein kleines Mädchen, gerade mal 4 Jahre alt, die blonden Haare zu Zöpfen geflochten und in einem hübschen, rot gemusterten Sommerkleid. Der 3. Urlaubstag und wir gehen bei wolkenlosem blauem Himmel und strahlendem Sonnenschein durch die Stadt spazieren. Die Sonne brennt auf uns – Mama, Papa, Nina, Lukas und mich – herab, der Teer glüht in der angestauten Hitze und wir flüchten uns in die Kälte einer Kirche. Ehrlich gesagt erinnere ich mich nicht mehr an die genauen Details, aber ein Ereignis hatte sich für immer in meinen Kopf eingebrannt. Der Moment, als wir die Kirche verließen und der erste Blitz eines Gewitters direkt neben uns in den Boden einschlug. Ich höre noch das Krachen und sehe den Blitz in 1000 bunten Farben leuchten. Ein wunderschönes Ereignis der Natur und trotzdem geht mir die Angst durch Mark und Bein. Die Erde erzittert, ich auch und meine zierliche Hand verkrampft sich in Mamas. Der Himmel ergießt sich in schillernden Tropfen über uns und wir merken, dass wir diesen gewaltigen Kräften nicht gewachsen sind. Panik steigt in mir auf und ich kann keinen klaren Gedanken mehr fassen, als wir unter dem Leuchten weiterer Blitze, gefolgt vom Grollen des Donners, zurück ins Hotel eilen. Seitdem habe ich Angst vor Gewitter.
Vulkan Pichincha, Ecuador, August 2016
14 Jahre später, wieder im August, befinde ich mich auf der Spitze des Vulkans Pichincha in Ecuador, nahe der Hauptstadt Quito. Auf 4696 Höhenmetern öffnen wir – eine Gruppe von Studenten, die ich letzte Woche kennengelernt habe, und ich – eine Flasche Wein und stoßen mit unseren Pappbechern an. Gipfelwein statt Gipfelschnaps. Verschwitzt, aber glücklich. Nach dem steilen, dreistündigen Aufstieg von der Bergstation der Seilbahn und der Kletterpartie kurz vor dem Gipfel haben wir uns den Wein redlich verdient. Trotz Sonne und strahlend blauem Himmel, fröstele ich in der kühlen, windigen Bergluft, nachdem mein Schweiß getrocknet ist. Der Rückweg zur Seilbahnstation zieht sich in die Länge, wir wandern im Gleichschritt. Die anderen vor uns – Victoria und ich ein Stück weiter hinten. Der Blitz mitsamt krachendem Donner in unserem Rücken lässt uns erschrocken zusammenzucken. Es ist der erste Blitz des Gewitters. Erstarrt bleiben wir stehen. Hinter uns liegt eine Pferdekoppel, in der die Pferde wild werden und ausreißen. Das Gewitter hüllt uns ein, wir befinden uns auf über 4000 Metern und ein Schutz ist weit und breit nicht in Sicht. Ein Déjà-vu, das mich zurück in meine Kindheit versetzt: 1000 bunte Farben, das Krachen, unsagbare Angst, meine verkrampfte Hand in Mamas. Ich beginne zu zittern, während der Himmel sich in schillernden Tropfen über uns ergießt und wir merken, dass wir diesen gewaltigen Kräften nicht gewachsen sind. Panik steigt in mir auf und ich kann keinen klaren Gedanken mehr fassen, als wir unter dem Leuchten weiterer Blitze, gefolgt vom Grollen des Donners, zurück zur Seilbahn eilen. Patschnass, in Regen getränkt, und heilfroh erreichen wir sie. Seitdem habe ich noch mehr Angst vor Gewitter.
© Anna Fock 2023-07-01