von Luna Winkler
Als ich erwache, umgibt mich Dunkelheit. Meine Augen, sie brennen und doch blinzeln sie tapfer gegen diese pecherne Finsternis an, versuchen irgendetwas darin zu erkennen. AuĂźer vagen Umrissen ist da nichts auszumachen. Nur Finsternis. Nur Dunkel.
Das kann doch nicht sein. Ungläubig will ich mir über die Missetäter fahren, sie spielen mir sicher nur einen dummen Streich, anders kann das gar nicht sein. Nur Schatten? Kann gar nicht sein. Doch meine Hand, sie schafft den Weg bis hin zu meinem Gesicht nicht. Nicht einmal annähernd gelingt es ihr, geschweige denn ihrem linken Äquivalent. Das darf doch nicht — was ist denn —
Entsetzt starre ich auf das, was meine Hände gefangen hat, kaum sichtbar in dem trüben Dämmerlicht. Dicke Ranken schnüren sich fesselartig um meine Handgelenke, ziehen immer engere Kreise und stauchen mein Blut zurück. Ehe ich mich versehe, überkommt mich die Panik, rüttle wie wild geworden daran herum, versuchend mich aus den Fängen dieser überdimensionalen Kabelbindern zu befreien — zwecklos. Da komm ich nicht so schnell raus, zumindest nicht mit Gewalt.
Ich sehe mich um, meine Atmung verlangsamt sich wieder und erst da wird mir das volle Ausmaß meiner Gefangenschaft bewusst. Über mir. Leere. Dunkelheit. Unter mir. Bodenlose Tiefe. Ich selbst, in einem Netz an wirren Strängen hängend. Ohne deren klebrige Fäden — ich wäre gefallen. Wie tief lässt sich nicht erahnen und wissen will ich es erst recht nicht. Nur eins weiß ich mit Gewissheit.
Der Aufprall da unten, wo auch immer, er wäre fatal gewesen. Hart. Unbarmherzig. Vielleicht sogar tödlich.
Doch ich hänge hier, über dem steinigen Boden des vermeintlichen Unglücks, gefesselt, aber am Leben. Wenn auch blind. Und hören tu ich auch nichts weiter, als mein eigenes Luftholen, als ich beginne, langsam, aber stetig zu schwingen. Ein Balanceakt. Eine falsche Bewegung und ich falle. Wenn das Netz reißt, so reißt auch der Strick, an dem mein Leben hängt. Ich hänge — wortwörtlich am seidenen Faden.
Eine Wand. Nicht unweit von meiner Falle entfernt. Ich spüre ihre harten Mauern, schaffe es mit Müh und Not, meine Finger in deren Fugen zu krallen — RATSCH. Das waren die Fesseln.
Die Ketten. Sie segeln hinab in die Schwärze. Ich, frei. Zumindest freier als zuvor. Zitternd vor Furcht, an diesen Steinen klammernd. Wenn mein Fuß einen Fehltritt zulässt, so ist da nichts, was mich fängt. Aber ich muss es versuchen. Ohne Hilfe. Aus eigener Kraft.
Zögerlich greife ich nach oben. Erfühle eine Spalte. Schiebe meine Finger hinein. Ziehe mich hoch. Aus eigener Kraft. Meter um Meter schleppe ich meinen ausgemergelten Körper nach oben. Weiter, nicht aufgeben. Dann, plötzlich, Licht. Zwar noch klein und relativ schwach, aber da.
Ich setzte meinen Kurs. Gen Licht soll er gehen. Raus aus der Dunkelheit. Sie wird zwar weiterhin unter mir liegen – doch das ist nicht mein Weg. Nicht mehr. Bevor ich es erreiche, wird es mich noch so manche Kraft kosten. Doch es ist da. In erreichbarer Ferne.
© Luna Winkler 2022-01-11