von Benja Bauroth
Sie saßen in einem Kreis um eine leere Flasche herum, die sich blitzschnell um ihre eigene Achse drehte. Rose folgte dem Drehspiel mit konzentrierten Augen, sodass ihre Umgebung in den Hintergrund rückte. Das Lachen der Partygäste drang von weit weg an ihre Ohren und die Musik, gerade spielte „We found love“ von Rihanna, war zu einem unverständlichen dröhnen geworden. Ihr ganzer Körper war angespannt während die Flasche in der einmal Cola drin gewesen war immer langsamere Kreise zog bis sie stehen blieb. Ein lautes Grölen ging durch die Menge und Rose durchflutete Erleichterung. Sie wusste nicht, wo auf einmal diese Angst herkam, dass der Flaschendeckel auf sie zeigte. Das hier war doch die perfekte Möglichkeit, das perfekte Spiel den ersten Kuss zu bekommen. Der Junge, bei dem die Flasche stehen geblieben war, nahm sie grinsend in die Hand und drehte sie schwungvoll. Neben Rose saß ihre beste Freundin im Schneidesitz auf einem roten Kissen, die sie mit dem Ellbogen anstieß und flüsterte: „Hoffentlich bleibt die Flasche bei dir stehen. Der sieht doch gut aus.“
Sie betrachtete den Jungen gegenüber von ihr, der gespannt auf das Ergebnis wartete. Objektiv betrachtet, ja da war er attraktiv, wie auch viele der anderen Jungs und Mädchen im Raum, doch als sie sich vorstellte irgendjemanden von ihnen küssen zu müssen, so im echten Leben, wollte sie einfach nur weglaufen. Als sie den Gedankengang gerade beendet hatte, wurde sie von rechts und links aufgeregt geschüttelt. Die Flasche zeigte auf sie.
Dann ging alles viel zu schnell. Sie kniete sich von den anderen hochgezogen aufrecht hin und der eigentlich gut aussehende Junge kam auf sie zu. Als sich ihre Lippen berührten durchzuckte sie eine Welle aus Ekel. Alles schrie in ihr ihn wegzustoßen, aber sie wollte doch geküsst werden. Sie wollte doch, dass jemand ihr eine lose Haarsträhne aus dem Gesicht hinter ihr Ohr strich, sie innig umarmte, sie sanft küsste und dass dieser Moment sich wie ein explodierendes Feuerwerk anfühlte. Doch das tat es nicht. Als sie sich auf ihren Platz zurückfallen ließ bekam sie kaum Luft. Sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen und setzte ein Lächeln auf, das, wenn sie in den Spiegel geguckt hätte, eher verzweifelt aussehen würde. Doch niemand beachtete sie. Jeder war damit beschäftigt, mit seinen Freunden darüber zu reden, wen sie hier am liebsten Küssen wollen würden. Warum konnte sie Küssen nicht einfach wie alle Anderen gut finden?
In dem Moment wünschte sie sich mehr als alles andere auf der Welt, dass sie wieder ein Kind wäre. Dann müsste sie sich keine Gedanken mehr um so was hier machen.
© Benja Bauroth 2022-08-30