von Weudl
Seit ich mich mit Büchern beschäftige, die mich beschäftigten, beschäftige ich mich auch ein wenig mit meiner Vergangenheit. In dieser waren Bücher, Comics und natürlich einschlägige Fachzeitschriften (ÖKM) der Beginn einer tollen Reise. Ein Trip, der mich von kleinauf stets fesselte und mich in die entlegensten Viertel von Fantasia, Atlantis, Entenhausen und sonst wohin brachte.
Gefangen im Bann der Bücher durchlebte ich ein surreales Wechselspiel. In der Realität war ich der Sommersprossentyp, der wie eine Düse herumwirbelte und lieber zerstörte als aufbaute. Doch in meiner eigens kreierten Utopie war ich der Herrscher über mein Chaos und der Held von zahlreichen Schlachten. Ich konnte Abenteurer und Schurkenschreck sein und gleichzeitig die Prinzessin von der bösen Burg befreien. Als Freitag mich namentlich von der Insel holte und ich Robinson Crusoe zurückließ, bat mich Robin Hood um Hilfe. Also half ich dort, wo ich um Hilfe gebeten wurde. Ich durchkreuzte die Pläne der bösesten Superschurken, befreite die wirklich gutaussehende April aus den Fängen von Shredder. Ich nahm Dumbo an den Ohren, oder eher er wohl mich und wir flogen mit Daniel Düsentrieb um die Wette. Lucky Luke und ich zogen unsere Colts und ja klar, er war der Langsamere von uns beiden. Gemeinsam mit Winnetou und Old Shatterhand zog ich durch die Prärie. In meiner Utopie gab es keinen Rassismus, es gab keine Hautfarben oder Diskriminierung. Momo ging mit mir ins Amphietheather und lehrte mich das Zuhören. Goethe bat mich um Reimhilfe und Schiller besuchte mit mir die gute alte Kloschule. Gemeinsam saßen wir also Klo an Klo und amüsierten uns über gekonnte und misslungene Poesie. Ich schrieb Liebesbrief um Liebesbrief. Unabgeschickt landeten die romantischen Ergüsse in einem Schuhkarton.
Wir wurden Romantiker und liebten die Schönheit der einfachen Dinge. Ein Schleier raubte uns den Atem und dunkle Augen nahmen uns die Luft zum Atmen. Doch der Weg zur Liebe sollte ein steiniger werden, reich an Tücken und Niederlagen.
Gemeinsam mit einem Dirty Old Man und dem Fahrtwind einer 60er Bim in Richtung Kennedybrücke litt ich regelrecht an frühpubertärlichen Schweißausbrüchen und Erektionen. Nur dank viel zu weiten Hosen und einem eng geschnallten Gürtel konnte ich noch aussteigen.
Der liebe Herr Brenner zog mich sommerlang in seinen Bann und fernab dieser kriminellen Reise sprach mich auch der schriftstellerische Stil sehr gut an. American Psycho fesselte mich gedanklich und zerriss mich zugleich schlagartig innerlich. Stephen King erwischte mich frontal und knallhart. Nach “The Stand”, bekam ich einige seiner Kurzgeschichten zu lesen. Widerwertig und vergruselt, konnte ich einige Nächte lang nicht mehr ruhig schlafen. Neben all diesen absurden Abartigkeiten fand ich im Playboy und Penthouse die Ruhe des Journalismus.
Ich fing an, Figuren meiner Vergangenheit neu zu schaffen und sie in die Gegenwart zu holen. Wo sind sie nur geblieben?
© Weudl 2021-11-07