von JanGroenhain
Tausende Menschen auf der Welt beschäftigen sich täglich, verdienen ihr Brot damit. Anerkennung, insbesondere literarische, bleibt ihnen jedoch verwehrt. Denn ihre Texte und Beschreibungen sind vordergründig weder poetisch noch dramatisch, sondern erklärend und faktisch. Nur ungewollt sind sie manchmal hinter- oder abgründig. Es geht um die Autoren von Bedienungsanleitungen.
Jeder von uns kennt diese Art der Lektüre, ist sie doch jedem neuen technischen Produkt beigefügt, egal ob Auto, Espressomaschine oder Elektrozahnbürste. Viele von uns legen diese Broschüre nach dem Auspacken achtlos beiseite oder in den Müll, ignorieren sie und damit auch die akribische Arbeit des Autors. Wir starten unmittelbar den Versuch der Inbetriebnahme unserer Neuanschaffung. Try and Error, oft begleitet von Flüchen. Erst dann folgt ein Blick ins Handbuch. Oder auch nicht.
Diese Anleitungen werden heute immer umfangreicher, sind gespickt mit Sicherheitshinweisen. Damit niemand mehr in unserer Vollkaskogesellschaft auf die Idee kommt, seine Katze in die Waschmaschine zu stecken. Weil das nirgends stand und weil der Hausverstand ausstirbt. Ich zähle zu jenen, die diese Lektüre meist zur Hand nehmen. Mitunter auch nur darum, der Hintergründigkeit des Textes auf die Spur zu kommen. Was kürzlich völlig gelang.
Es stand die Investition eines Gartenschlauches an. Nur ein Schlauch, ohne Zubehör. Nach dem Befreien aus seiner Kartonhülle wollte ich das Teil prompt seiner Bestimmung zuführen, anschließen und dem Wasser freien Lauf lassen. Doch da entdeckte ich auf der Kartoninnenseite unerwartet einen ausführlichen Text, betitelt mit „Bedienungsanleitung“. Folgend ein Auszug aus den zahlreichen Hinweisen:
>Dieses Handbuch bitte sorgfältig lesen und aufbewahren< Oha, was kommt jetzt, dachte ich mir. >Verwendung nur durch Personen, die diese Anleitung selbst gelesen haben<, hieß es weiter. Im Klartext: Wer nicht lesen kann, darf nicht mit dem Schlauch spritzen? >Dieses Produkt ist kein Kinderspielzeug< Was jetzt? In den Kindheitstagen war ein Schlauch ja genau das. Ist das heute nicht mehr erlaubt? >Erst den Schlauch anschließen, bevor Sie den Wasserhahn öffnen< Genial! Sollte ich es vielleicht zuerst mal umgekehrt versuchen?
>Wasserstrahl nicht auf Personen oder Tiere richten< Und wie vertreibe ich jetzt lästige Amseln oder erschrecke den frechen Nachbarsohn? >Nach Verwendung den Wasserhahn zudrehen< Da wär` ich jetzt echt nicht drauf gekommen! >Vor direkter intensiver Sonneneinstrahlung schützen< Darf ich also nur mehr an trüben Tagen oder bei Regen die Pflanzen bewässern? >Nicht in Innenräumen benützen< Dabei wollte ich doch die Zimmerpflanzen auch damit gießen. >Bei Beschädigung sofort außer Betrieb setzen und den Hersteller kontaktieren< Wie? Sofort Wasser Stopp, flüchten und die Kletterrose vertrocknen lassen?
Nervös und verängstigt nahm ich den Schlauch in Betrieb und ließ Wasser ein. Zu meinem großen Glück funktionierte er wunschgemäß. Puh, alles richtig gemacht!
© JanGroenhain 2022-04-23