Vom Mama-Sein

LillyRuth

von LillyRuth

Story

Mama-Sein. Das fühlte sich richtig an. Und ich war gut – in diesem, meinem neuen Job. Drei Jahre lang war ich eine Einzelkind-Mama. Alles war einfach. Alles ging mir leicht von der Hand. Ich fühlte mich als Mutter unverwundbar. Was in Ratgebern und Lehrbüchern über Probleme zwischen Eltern und Kindern geschrieben stand, schien mich nicht zu betreffen. Ich konnte es von alleine. Ich glaubte tatsächlich, für die Mutterschaft geboren worden zu sein. Daher wuchs der Wunsch nach einem zweiten Kind. Er wurde mir erfüllt. Eine schöne Schwangerschaft, ich strahlte Zufriedenheit und Glück aus. Ein gesunder Bub wurde uns geschenkt. Die ersten Wochen liefen anders als geplant. Gelbsucht beim Kind. Milchstau und Fieber bei mir. Krankenhausaufenthalte. Zuerst ambulant. Dann stationär. “Bald wird es besser”, trichterte ich mir ein. “Das sind nur die Anfangsschwierigkeiten mit dem zweiten Kind.” Es wurde besser. Viel besser. Ich genoss meine Zeit mit dem Baby und später dem Kleinkind. Wir wuchsen eng zusammen. Doch meine Rolle als Mama hatte sich fundamental geändert. Zwei Kinder. Das sind zwei Menschen mit komplett unterschiedlichen Bedürfnissen. Beiden das zu geben, was sie brauchen, schien mich zu zerreißen. Und dann der ständige Lärmpegel. Als hochsensibler und geräuschempfindlicher Mensch fühlte ich mich oft wie in einem Minenfeld. Ich wurde gereizter. Genervter. Das übertrug sich auf die Tochter, die sich permanent ungerecht behandelt fühlte und ihren Wunsch nach Aufmerksamkeit noch vehementer äußerte. Als der Jüngste größer wurde, kamen die zermürbenden Geschwister-Streitigkeiten hinzu. Ein ewiger Drahtseilakt. Bis heute. Ich verschlang jeden Eltern- und Erziehungsratgeber, der mir in die Hände fiel. Wurde zum Aus- und Weiterbildungsjunkie in diesem Bereich. Verbrachte viele Abende und Wochenenden bei Seminaren und Vorträgen. “Ich bin es meinen Kindern, meinem Mann und am meisten mir selbst schuldig, an mir zu arbeiten und mein Verhalten immer wieder zu reflektieren”, das ist mein Credo bis zum heutigen Tag. Was mir im Alltag am meisten hilft: Immer den Fokus auf das zu richten, was GUT läuft. Die schönen Momente mit den Kindern bewusst zu genießen und auszukosten.

Diese Woche war einer dieser Zauber-Momente: Am Nachmittag hatten die Kinder wild gestritten. “Ich hasse meinen Bruder”, schrie die Große durchs Haus. “Du bist die blödeste Schwester, die es gibt”, konterte der Kleine. Türen knallten. Tränen flossen. Irgendwann zog das Gewitter vorüber. Sie einigten sich auf eine Fernsehsendung. Es wurde verdächtig ruhig. Ich schlich mich auf leisen Sohlen an.

Da lag er. Den Kopf auf dem Brustkorb der großen Schwester. Diese strich ihm während der Sendung zärtlich durchs Haar. Wärme, Geborgenheit und Halt, das schenkten sie sich gegenseitig. Meine Augen wurden feucht. Unentdeckt stand ich noch lang im Türrahmen und beobachtete die beiden. “Sie haben einander”, dachte ich mir. Wie tröstlich.

© LillyRuth 2020-02-09

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