von Christa Arnet
Alles ist grün auf Moorea: die überwucherten Pfade, die bemoosten Mauern am Wegrand, die plätschernden Bäche, die Palmen, Baumfarne, Bananenstauden, Mango- und Avocadobäume, die Plantagen in den schmalen Tälern, der Dschungel an den steilen Gipfeln. Und genau deswegen sind wir hier: Wir wollen Tahitis Schwesterinsel zu Fuß erleben. Natürlich inklusive Badestopp in der blaugrünen Lagune.
Die Frage ist nur: Wo kann man in dieser Wildnis überhaupt wandern? Yvette Léon, unsere Führerin, lacht herzlich: <<Überall! Die ganze Insel ist von Fußwegen und Trampelpfaden durchzogen. Alles ganz einfach, man muss nur wissen wo!>>
Tatsächlich geht es am ersten Tag ganz entspannt von Bucht zu Bucht bis zur romantischen Baie Opunohu, wo Captain Cook 1777 mit der <<Resolution>> und der <<Discovery>> vor Anker ging und wo sich zwölf Jahre später die berühmte Meuterei auf der <<Bounty>> ereignete. Tag zwei beginnt ebenfalls gemütlich. Ananasplantagen, Brotfruchtbäume und Kokospalmen säumen den Weg zum hoch gelegenen Aussichtspunkt Belvedere. Zwischendurch gibt’s einen Fotostopp auf jenem Hügel, der als <<Eingeborenendorf>> im Bounty-Film mit Mel Gibson eine Rolle spielte. Auch den gegenüberliegenden Berg kennen wir bereits. Im Musical-Film <<South Pacific>> war er das mystische <<Bali Hai>>.
Ab jetzt ist rundum nur noch dichter Wald. Der Pfad wird steiler und ruppiger, verliert sich immer wieder zwischen Kastanienbäumen und vermoosten Steinen. Wenn’s bloß nicht so feucht und heiß wäre! Der Schweiss rinnt aus allen Poren. Die Wasserflasche ist bereits leer. Und nun beginnt es noch zu regnen, besser gesagt zu giessen. Die Schuhe quietschen. Der Plastikponcho klebt an der Haut. Das Wasser rinnt den Hals hinunter. Wo ist der Pfad geblieben? Das grüne Paradies ist nur noch eine schwarze Hölle.
Wir hasten bergauf. Nicht weit von hier soll’s einen Unterstand geben. Es ist die überdachte Infotafel einer 500 Jahre alten Kultstätte. Und leider die Heimat eines riesigen Mückenschwarms, der sich genüsslich über uns hermacht. Verflucht!
Doch genau in diesem Moment kommt Rettung von oben. Die Sonne schiebt Wolken, Nebel und Regen beiseite und lässt die Welt glitzern und gleißen. Wir fühlen uns plötzlich wie neu geboren, voller Begeisterung, physisch und psychisch wunderbar fit.
Locker erreichen wir die Aussichtsterrasse. Und müssen uns vor Überraschung gleich am Geländer festhalten: Wow! Welch ein Blick! Zu Füßen liegen Täler, Dörfer, Buchten und ein türkisblaues Meer, in der Ferne ist Tahiti auszumachen und rundum erhebt sich ein bizarrer Kranz von Gipfeln. Der Moua Roa, dessen Abbild die 100er und 50er Münzen des Pacific Franc ziert, reckt sich wie ein Haifischzahn in den Himmel; der heilige Mont Rotui erscheint wie ein verzaubertes Kastell.
Die Hitze? Vergessen. Der Regen? Halb so schlimm. Die Mückenstiche? Nur nicht dran denken.
© Christa Arnet 2021-06-02