Vom Scheitern

Florian Hauenschild

von Florian Hauenschild

Story

Regen, so viel Regen. Ich sitze in meinem gemütlichen Schaukelstuhl, schaue beim Fenster raus und sinniere scheinbare Ewigkeiten vor mich hin.

In letzter Zeit muss ich oft über Angst nachdenken. Nicht die Art Angst, die man empfindet, wenn man sich irgendeinen Gruselfilm um 3 Uhr nachts reinzieht, sondern die der elementaren Art. Eine Angst vor dem Leben, vor den unbekannten Ereignissen, die vor uns liegen und die wir eventuell nicht meistern. Die Angst vorm Scheitern, die wahrscheinlich jeden Menschen begleitet, der sein Leben nicht komplett dem Nihilismus verschrieben hat.

Aber ist diese Angst überhaupt begründet? Ich schlürfe an meinem Tee und schau den Regenvorhängen beim Fallen zu. Ja, auch wir müssen fallen. Werden wir zwangsläufig, wenn wir etwas riskieren. Denn bekanntlich ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Immer wieder fallen. Das ist wichtig. Wichtiger ist es allerdings wieder aufzustehen und weiter zu machen.

Also warum Angst vorm Riskieren und einem möglichen Scheitern? Weil es allzu menschlich ist und auch richtig. Weil es uns vor irreparablen Schäden bewahrt und uns zur Vernunft aufruft. Es macht uns unserer Grenzen bewusst und nur wenn wir diese kennen, können wir uns wirklich selber kennen. Das hindert einen aber nicht die Grenzen laufend zu verschieben und Dinge zu versuchen, die wir uns vorher nicht getraut haben. Aus welchen Gründen auch immer. Motorcrossfahrer werde ich wahrscheinlich keiner mehr. Ich hab ja schon Angst mich auf ein Moped zu setzen. Aber es geht ja auch anders. Nie hätte ich mir zugetraut, auch nur im kleinen Rahmen, auf eine Bühne zu steigen, unzähligen unbekannten Menschen ausgeliefert und meine Gedanken preis zu geben. Und siehe da, Story.One hat mich in Linz quasi dazu aufgefordert. Ich hätte auch absagen können, habs aber trotzdem gemacht und gut ist’s gegangen, nix ist geschehen. Was für ein gutes Gefühl für einen Menschen, der früher irrsinnige Angst vor fremden Personen hatte und um kein Geld der Welt den Mund aufgebracht hätte.

Es hätte aber auch gewaltig schief gehen können. Vom einfachen Verlesen, ein OK-kann-passieren Moment, bis hin zum nervösen Kotzreiz, eine ganz andere Dimension, hätte alles passieren können. Aber wäre das schlimm gewesen? Nein. Denn man hat’s versucht und, Achtung Zauberwort, man hat was gelernt. Und um nichts anderes geht’s, wenn man diesen unsäglichen RAIKA-Kalenderspruch von der Prinzessin hört: „Hinfallen, aufstehen, Krone richten, weitermachen!“

Lernen, Erfahrungen sammeln, auf die Klappe fliegen, aufrappeln, weitermachen und schlussendlich irgendwann den Jackpot einfahren. Und wenns weh tut, dann trägt man eben eine Narbe mit. Dann hat man was zu erzählen. Und Narben sind ohnehin die coolsten Tattoos.

„Starke Worte für so einen Scheißer wie mich,“ denk ich mir, während ich weiter dem Regen zuschaue. Hach ja, der Regen. Auch nur die Ankündigung des Sieges der Sonne. Irgendwann, aber bestimmt.

© Florian Hauenschild 2020-07-11

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