Vom Schüler zum Lehrer

vallybeck

von vallybeck

Story

Ich war gerade einmal 3 ½ Jahre alt als ich meine Mutter mit hochroten Kopf anbrüllte, weil sie der Meinung war, dass ich noch zu klein zum Skifahren war und ich deshalb nicht am Kindergartenskikurs teilnehmen durfte. Zur Erleichterung meiner Mutter und zur großen Freude meines nun 4 -jährigen Ichs gab es im folgenden Jahr wieder einen Kindergartenskikurs, und zwar mit mir als motiviertesten Teilnehmer. Am Ende des fünftägigen Kurses wurde ein Rennen veranstaltet. Man sagte uns: „Wer am schnellsten unten ist, hat gewonnen.“ Ratet mal wer am schnellsten unten war. Ich. Und ratet mal wieso. Weil ich nicht wie alle anderen brav im Slalom um die Tore gefahren bin, sondern in Schussfahrt den Hang hinunter geflitzt bin. Aber ich war die Schnellste.

Mit jeden Winter, mit jedem Skitag und mit jeder neuen Piste wurde meine Freude am Skifahren größer. Ich liebte es, wenn der Fahrtwind mir ins Gesicht blies, meine Lippen schon ganz blau von der Kälte. Ich übte immer weiter, der Ehrgeiz hatte mich gepackt. Ich brauchte keine Anerkennung von außen, das Gefühl, das mich erfüllte, wenn ich wusste, dass ich einen guten Carvingschwung hingelegt hatte war mir Lob genug.

Ich bewunderte stets die Skilehrer, wie sie in Ihren roten Jacken den Kleinen Gummibären in den Mund schoben und nach dem Kurs selbst noch einige saubere Abfahrten hinlegten um danach mit den Kollegen den einen oder anderen Schnaps zu trinken. Jedenfalls, wie konnte es auch anders kommen, machte ich selbst mit 16 Jahren die Skilehrer Anwärter Ausbildung. 10 Tage Hardcore-Skikurs für Erwachsene. Pflugfahren in Perfektion.

Ich war überglücklich, dass ich es tatsächlich geschafft hatte mir diesen Lebenstraum, der sich schon mit 6 Jahren in meinen Kopf gesetzt, zu erfüllen. Mein verträumtes Ich wurde aber nach den ersten Arbeitstagen auf die knallharte Piste der Realität zurückgeholt. Skilehrern war nämlich gar nicht so einfach wie ich dachte. Scheinbar unlösbare Knoten aus Skiern und Füßen lösen, Eltern auf sanfter Tour erklären, dass ihr Kind völlig unbegabt sei und auch die weinerlichsten Kinder bei Laune zu halten, das sind die echten Herausforderungen des Skilehrerdaseins. Es hat ja auch einen Grund warum es das nicht unbekannte Gerücht gibt, dass Skilehrer öfters tiefer in den Flachmann schauen. Aber aller Anfang ist nun mal schwer, und nach und nach begann mir die Skilehrer-Arbeit richtig Spaß zu machen. Die Kinder bei ihren ersten “Bogerln” zu begleiten ist immer eine besondere Ehre für mich.

Und da bin ich nun, in roter Jacke und stecke meinen fleißigen Skifahrern Gummibären in den Mund (und mir natürlich auch) auf genau demselben Zauberteppich auf dem auch ich meinen ersten Skikurs gemacht hatte. So schließt sich der Kreis. Vom Schüler zum Lehrer. Und manchmal, wenn ich ein kleines Mädchen in der Gruppe habe, die vom Skifahren gar nicht genug bekommen kann, stell ich mir vor, dass auch sie vielleicht einmal eine Skilehrerin wird. Und das macht mich stolz.

© vallybeck 2021-02-19

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