Wie traumhaft schön ist dieser Frühling, wie rein die Stadtluft, nach Wiesen, Wald und Flieder duftend! Üppig blühen auch die Kastanien, ich gehe durch die Allee, als wäre es zum ersten Mal, kann mich nicht satt sehen an der weiß-rosa-gelben Blütenfülle inmitten wuchernden Grüns an tiefdunklen Stämmen.
Daheim öffne ich das Fenster, lausche dem Gesang der Vögel. Hat mich ihr Lebens-Jubel je so bezaubert wie heute?
“ WAS IST EINER, WAS NICHT? – EINES SCHATTENS TRAUM, DER MENSCH…“ Sätze Pindars, vor rund 2500 Jahren meist für Sieger gedichtet, erreichen mich in neuer Tiefe. Dichter der griechischen Antike konfrontierten vor allem „Mächtige, Reiche & Schöne“ mit menschlichen Schattenseiten. Siegreichen Sportlern wurde Demut verordnet – welch weise Einsicht in unsere Schwächen!
Habe ich Corona besiegt? – Scherzfrage! 3 Wochen war ich dem Virus ausgeliefert, es spielte mit mir Pingpong. Anfangs zweifelte ich, dann war es unfassbar; ich ließ die „Zwergenaufstände“ sein, beobachtete schicksalsergeben Schauspiele unberechenbaren Terrors: kaum dachte ich „bald vorbei“, wurde massiver als vorher attackiert; es durchzog alle Organe, zündete heftige Gliederschmerzen. Schädel & Brustraum waren Hauptquartiere einer beklemmend-unheimlichen Kraft.
Niederschmetternd, die Gesamtwirkung – wie ein endloser, unentrinnbarer Alptraum: Körper, Geist & Seele lahmgelegt, Schweißausbrüche bei kleinsten Regungen; die Nächte qualvoll, nur kraft Meditation vor Panik bewahrt. Sonst half nichts, sogar Lesen war zuviel. Wie eine ausgeklügelte Folter war das Wechselspiel von scheinbarer Befreiung und spontanem Rückfall. Dazu kamen Berichte von weltweitem Elend – erschütternde Szenen menschlicher Ohnmacht vor der Übermacht der Natur, aber auch wundersamer Trost: die Zeichen überall aufblühender Menschlichkeit im gemeinsamen Leid!
Kurz vor Ostern schien ES schrittweise zu weichen. Erträumte Befreiung oder neue, böse Überraschungen? Doch der Befreiungstraum wurde wahr, Ostern mein Dankbarkeits-Fest.
Ein Monat ist vergangen, es ist Muttertag. In mir sind dunkle Hürden eingebrannt, das Herz ändert oft den Rhythmus – Corona lässt grüßen. Meine Aufgaben hängen in der Luft, kein Boden in Sicht. Wohin mit der Berufung, welche Perspektive bleibt außen & innen? Wie aus diesem Alptraum erwachen? Mein Blick in Vergangenheit und Zukunft landet immer wieder im weiten Horizont der Gegenwart: „tabula rasa“, alles weggefegt – große Leere, aber auch offene Tore!
Ich höre den Ruf des zeitlosen Frühlings, er weist nicht nur mir den Weg zu neuen Ufern. Ein Erwachen weht durch die Menschenwelt, es macht mich bereit zum Aufbruch, mit all jenen verbunden, welche diese Krise als Chance begreifen: für die Umkehr vom Raubbau zur Pflege unserer Mutter Erde & ihrer Geschöpfe, bevor dieser wunderbare Kosmos samt uns abstirbt.
DU & ICH – WIR ALLE KÖNNEN EINES „SCHATTENS TRAUM“ ÜBERSCHREITEN: DIE WEICHEN SIND GESTELLT, STARTEN WIR JETZT!
© Brigitte Kronabetter 2020-05-10