von Anatolie
Ich frage mich seit geraumer Zeit, was ist eigentlich der Sinn meines Lebens, wenn man es als „Sinn-stiftend“ betrachten will. Was kann ich besonders gut, womit bereite ich anderen eine Freude, was macht einen Unterschied durch mich auf dieser Welt? Worin geht mein Herz auf? Kann man Freude, Existenz und Sinn-Stiftung, all das, unter einen Hut bringen?
Eigentlich habe ich mich ĂŒber all die vielen Jahre einfach so durchs Leben gewurschtelt. Ich wusste nie so recht, welcher Beruf wirklich zu mir passt. Und wenn mich einmal etwas reizte, dann scheiterte es meist an den unmöglichen Dienstzeiten- oder Tagen, am Umfeld, und auch an den beschrĂ€nkten Möglichkeiten einer Weiterbildung. So tat ich meistens einfach irgendwas und hin und wieder auch mal gar nichts.
Als Kind habe ich verschiedenfarbige StiefmĂŒtterchen kreuzweise miteinander bestĂ€ubt und deren Samen angebaut. Wie groĂ war meine Begeisterung, wenn eine interessante Farben-Mischung dabei herauskam. Blumen zu zĂŒchten war als Kind mein Traum. DafĂŒr mĂŒsste ich studieren, haben meine Eltern gesagt, und das war ihnen nicht so recht. Eine begonnene GĂ€rtnerlehre habe ich bald wieder geschmissen â ich sollte bereits im ersten Lehrjahr an den Wochenenden schuften. Es herrschte dort ein Ă€uĂerst rauer Umgangston. Also haben sie mich seufzend in eine BĂŒroschule gesteckt.
Mein lĂ€ngster (und auch anstrengendster) Job bisher war der einer Callcenter-Tante, um Ă€uĂerst widerspenstigen Kundinnen und Kunden ein Zeitungsabo aufzuschwatzen. Und immer wieder hab ich’s zwischendurch mit KreativitĂ€t versucht. Letztes Jahr schaffte ich gerade noch den Abschluss einer Schule fĂŒr Schmuck- und Metallgestaltung, bevor der Lockdown jeden Markt fĂŒr Handwerk und Kunst zum Erliegen gebracht hat. Und nun sitze ich da und schreibe an arbeitsfreien Tagen meine Lebensgeschichten auf. Irgend ein Ventil braucht sie ja, die KreativitĂ€t. Nur geht sie mir beim Schreiben nicht so locker-flockig und flieĂend von der Hand wie beim Schmieden von Kupfer- und Silberteilen.
Aber zurĂŒck zu meinen Gedanken. Was kann ich sehr gut, worin stecken meine besonderen Talente? Man sagt doch, in jedem Menschen schlummert eine spezielle Gabe.
Angeblich besitze ich eine Eselsgeduld und kann ganz gut bei schwierigen FĂ€llen. Aber nur am Bildschirm und am Telefon und hinter den Kulissen. MĂŒsste ich vor einer solchen Person direkt in Erscheinung treten, ich liefe wahrscheinlich schreiend weg (und umgekehrt auch â who knows? ;-) Ist das der Sinn meines Lebens, der Balsam fĂŒr meine Seele? Das wohl eher nicht. Eher nur ein Job.
Die Pandemie hat aus mir eine bessere Köchin gemacht. GezwungenermaĂen! Mein Mann schmatzt zufrieden was immer ich am Herd fabriziere. Im schulischen Kochunterricht hatte man mir höchstens eine Karriere als Pausenbrotschmiererin prophezeit.
Unter ungewöhnlichen UmstĂ€nden aus dem fast Unmöglichen das noch Allerbeste herauszuholen â ist es das vielleicht, was ich besonders gut kann? ;-)
© Anatolie 2021-05-06