Vom Sterben und Träumen III

Niemand schien ihm Beachtung zu schenken, waren alle zu sehr in die Arbeit vertieft, während er sich an der Decke des Krankenhauses entlang robbte. Mal zog es einen Arm oder das Bein oder den Kopf gen Boden, aber überhaupt gelang es ihm recht gut, nach draußen zu finden, wenn man bedenkt, dass es das erste Mal war, dass er schwebte. Auf dem Weg zum Ausgang band er sich ein Seil aus Verbandsmaterial an das Bein, am anderen Ende eine Kaffeemaschine, die er im Eingangsbereich fand, um nicht davonzufliegen. Die Kaffeemaschine hing etwa zehn Zentimeter über dem Boden, hielt ihn aber davon ab, vom Wind davongetragen zu werden. Die nächsten Tage und Wochen stellten eine große Veränderung für ihn dar, denn sein Zustand besserte sich nicht – er schwebte noch immer. Seine Kassiertätigkeit konnte er nicht weiter aufnehmen, denn nachdem die Kunden und Kundinnen den schwebenden Kassierer bewunderten, kauften sie vor lauter Bewunderung nichts mehr und der Chef kündigte ihm. Als er am Tag darauf zum Arzt schwebte und bat, ihn zu heilen, nahm der Arzt seinen Zustand nicht ernst, schließlich war er nicht krank und selbst nach einem Autounfall kerngesund. Das einzig Gute war, dass er besser im Schweben wurde. Er kaufte Klebeband, um seine Möbel an der Decke zu befestigen, doch als diese zu Boden fielen und zerbarsten, kündigte ihm auch die Vermieterin. Sich nach seinem gewohnten Leben sehnend, wusste er, sich nun umstellen zu müssen. Das Schweben stellte er nicht mehr infrage und er wollte seine Unversehrtheit untersuchen. So schwebte er zu einem Schützen und ließ sich anschießen, was er ohne Verletzung oder Schmerz überlebte.

Also denn schloss er sich einem Zirkus an. Schnell wurde er als Unsterblicher und Mann ohne Gravitation zum Spektakel, war auf Plakaten abgelichtet, samt Kaffeemaschine, und kaufte seinen Eltern einen eigenen Kartoffelhof. Sein restliches Dasein über schwebte er hoch oben an Zirkuszelten, ließ sich in der Manege anschießen und bejubeln und vermisste die ereignislosen Jahre zuvor schweren Herzens, bis er plötzlich auf den Boden fand, fest mit beiden Füßen auf ihm stand und begriff, dass er nie geschwebt war.