Vom Zauber der Nordlichter

Weltenwanderer

von Weltenwanderer

Story

Ich lebe in der Arktis. Jetzt im Dezember ist es dunkel, denn die Sonne kommt hier, nördlich des Polarkreises, für sieben Wochen nicht mehr über den Horizont. Seit Jahren träume ich davon Nordlichter zu sehen, einmal einen ganzen Winter in der Dunkelheit zu verbringen und zu erfahren wie es mir dabei ergeht.

Ich trat abends vor mein kleines Haus am Meer. Am Nachthimmel sah ich eine zarte, lange, weiße Wolke. Zumindest hatte ich zuerst die Vermutung, es wäre eine Wolke, doch bei genauerer Betrachtung bemerkte ich, dass diese Wolke ganz langsam über das Firmament tanzte, und ihr ein ganz eigenes Leuchten innewohnte. Mein erstes Nordlicht!

Verzaubert von dieser Erscheinung lief ich zum Strand. Die Wellen rauschten ans Ufer, ein kalter Wind blies mir ins Gesicht, über mir erstreckte sich die Milchstraße und das Nordlicht zeichnete wundervolle Formen in die Dunkelheit. Ich war berührt von seiner Sanftheit, der Ruhe und Stille, die von ihm ausging. Plötzlich fühlte ich mich dem Himmel so nah!

Stille!

Ankommen!

Innehalten!

Wie Außen so Innen! Nachdem ich mich lange Zeit im Tanz des Nordlichts verloren hatte, trat ich langsam den Weg nach Hause an und fragte mich wie dieses zauberhafte Licht mein Innerstes erhellen konnte? Ich dachte an die Dankbarkeit und wie Dankbarkeit mein Leben erfüllt. Oft halte ich inne und bin dankbar. Jeden Tag gibt es einen Grund dafür. Wenn ich morgens aufwache und ein neuer Tag beginnt, wenn ich bei einer Begegnung einem Menschen ein Lächeln ins Gesicht zaubern kann, oder wenn ich spüre, dass ich in Freiheit lebe. Freiheit ist so schwer zu greifen, beinahe wie das Nordlicht, das durch die Dunkelheit tanzt. Keine Macht der Erde kann es einfangen, das Licht ist frei!

Die Dankbarkeit öffnet den Weg in die Fülle. Seit ich vor Jahren die Dankbarkeit in mein alltägliches Sein integriert habe, erwächst daraus eine große Lebensfreude. Die Lebensfreude ist ein weiterer Leuchtstern in meinem Leben, denn sie erhellt mein ganzes Sein. Und doch ist für mich Lebensfreude nicht selbstverständlich. Ich gehe immer wieder auch durch Zeiten der Dunkelheit, im außen wie im innen.

Eine tägliche Übung ist das Vergeben. Dabei geht es darum, mir selbst zu vergeben, aber auch allen und allem zu vergeben. Letzteres ist mitunter eine Herausforderung, doch ich habe erkannt: „Wen ich in die Dunkelheit rufe, weil ich ihn verurteile, der ruft mich in die Dunkelheit.”

Ich liebe die Zeit der Dunkelheit hier in der Arktis. Ich habe keine Angst vor ihr, im Gegenteil es ist eine wundervolle Gelegenheit aus der Linearität der Zeit auszusteigen, da es ja sowieso fast immer völlig dunkel ist wenn ich beim Fenster hinausschaue. Ich beginne den Tag, wenn ich aufwache, ich gehe schlafen, wenn ich müde bin. Ich erfreue mich an der Dunkelheit und genieße jeden Augenblick. Manchmal trete ich hinaus in die Nacht und das Nordlicht huscht über den Himmel. Dann denke ich “Ja wir leben auf einem Zauberplaneten, was für ein großes Geschenk!”

© Weltenwanderer 2020-12-05

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