Von Affen, Hirschen und Katzen

Christine Sollerer-Schnaiter

von Christine Sollerer-Schnaiter

Story
Japan 2023

Wir machen uns auf den Weg, die berühmten Schneeaffen bei den heißen Quellen von Yamanouchi zu besuchen. Durch einen lichten Blätterwald führt der romantische Pfad bergauf, gespickt mit Informationstafeln zu den Makaken, die hier leben. Das Besondere ist, dass sie von höher gelegenen Gebieten herunterkommen, um in den heißen Quellen zu baden und sich zu wärmen. Nun ist aber Herbst und eher warm als kalt. Würden wir welche zu sehen kriegen? Da sitzen schon zwei am Wegrand, lausen sich hingebungsvoll und nehmen keine Notiz von uns. Alle Fotoapparate werden gezückt, begleitet von Ausrufen des Erstaunens. Ein paar Meter weiter tummeln sich hunderte von den Äffchen: würdige Alte, niedliche Kleine und Mütter mit ihren Barbies auf dem Rücken. Sie sind beschäftigt mit ihren zwei Fingern kleine Körner aufzuklauben und in den Mund zu stecken – eher gelangweilt und wenig hungrig. Sie spazieren zwischen unseren Beinen herum, spielen und balgen sich. Alles ist sehr entspannt – ja und einige schwimmen tatsächlich im Onsen – der heißen Quelle und hängen an den Rändern herum, wie bauchige Männer und geschwätzige Frauen in unseren Thermalbädern. Das hat sich so entwickelt: Menschen badeten in der Heißen Quelle und lockten neugierige Affen mit Futter an. So kamen immer mehr, wollten immer mehr und bekamen immer mehr. Sie wurden aggressiv, wenn es nicht funktionierte, sie wurden krank, weil sie zu viel oder nicht geeignetes Futter erhielten. Warum sollten sich Affen anders verhalten als Menschen? Jetzt bekommen die Tiere artgerechtes Futter in kleinen Körnern ausgestreut und sind voll beschäftigt, sie aufzusammeln, ohne sich zu überfressen. Die Touristen haben ihre Freude daran, weil sie ungebremst fotografieren können – füttern und streicheln verboten! Regeln funktionieren in Japan, wie wir bereits wissen.

Ähnlich verhält es sich mit den Rehen und Hirschen von Nara, der alten Kaiserstadt nahe Kyoto. Etwa vierhundert der Kleinhirsche bevölkern den Park und die Gassen rund um die Tempel und Schreine. Sobald man den Bus verlässt, begleiten sie einen – so führt der erste Weg zu einem Stand, wo man eine Tüte Futter kauft und das zahme, aber wild lebende Tier frisst dir aus der Hand. Besser, du bringst deine Handtasche in Sicherheit, denn sie schrecken nicht zurück, sich das Futter selbst darin zu suchen. Entzücktes Lachen und Fotografieren garantiert. Wie kam es hier zu dieser Bevölkerung? Die Hirsche von Nara sind seit je her heilig und wurden nie gejagt. Das wissen sie und kennen keine Angst. Auch die Autos nehmen Rücksicht auf sie. Die Sage erzählt, dass das Gottwesen Inari auf einem Hirsch reitend in den ihm gewidmeten Schrein eingeritten sei.

Ich komme nicht umhin, auch die besondere Stellung der Katze zu erwähnen. Maneki-neko ist ja auch bei uns bekannt. Sie sitzt aufrecht und winkt mit der Pfote herbei, was gefragt ist: die Kundschaft, Reichtum oder Glück. Nemuri-neko hingegen wird in ruhend-liegender Pose und mit friedlich geschlossenen Augen dargestellt. Die Schlummerkatze wird besonders verehrt. Sie soll die Macht besitzen, Mäuse und Ratten fernzuhalten. Auch soll ihr friedliches Schlummern Betrachtern innere Ruhe spenden. Katzenbesitzer wissen, dass das funktioniert.


© Christine Sollerer-Schnaiter 2023-12-27

Genres
Romane & Erzählungen, Reise
Stimmung
Abenteuerlich, Emotional, Komisch, Informativ, Unbeschwert