Brille, Ferse und ein Hawk-Eye

Andreas Trimmel

von Andreas Trimmel

Story

Vor einigen Monaten meinte der nunmehrige 10er, ich mĂŒsse unbedingt mit ihm zum Optiker. Als ich fragte, ob er denn Probleme mit den Augen hĂ€tte, sah er mich verstĂ€ndnislos an. „Wieso Augen? Der soll sich meine Ferse ansehen!“ (nachzulesen unter „Von Optikern und OrthopĂ€den“)

Wir lassen also seine Ferse ansehen. Allerdings hatte ich so meine Zweifel, ob ein Optiker die richtige Wahl dafĂŒr wĂ€re. Und wirklich! Doc Google wies mich darauf hin, dass ich Fersengeld eher beim OrthopĂ€den geben sollte. Gut. Seitdem trĂ€gt er Einlagen, der Jungspund – bzw. steht auf Selbigen, denn vom Tragen allein lĂ€sst sich der Fuß nicht zurechtweisen.

Das mit dem Optiker lĂ€sst mir allerdings keine Ruh‘. Aber nachdem, wie mir dĂŒnkt, fĂŒr die Augen doch wohl eher ein Augenarzt zustĂ€ndig ist, suchen wir diesen auf. Gleich mit allen 3 Nachwachsenden begeb‘ ich mich hin. Nach Anmeldung der Kids frage ich die Dame, die den Laden perfekt schupft, ob ich fĂŒr mich auch einen Termin ausmachen könne. Sie nimmt meine eCard, steckt sie in irgendsoeinen Slot, lĂ€sst ihre Finger behende ĂŒber die Tastatur flitzen und gibt mir die eCard dann wort- und blicklos zurĂŒck. Ich stutze. Frage, wann ich denn kommen dĂŒrfte. Mit drei bis vier Monaten Wartezeit rechne ich. „Zehn“. sagt sie. Immer noch blicklos. „M O N A T E ? ! ? !“ skandiere ich. „Minuten“ flötet sie. In Richtung Bildschirm.

10 Minuten spĂ€ter stehen wir dann in der Ordination. Alle vier. Ergebnis beim 10er: Er braucht eine Brille. Und mehr braucht er nicht, der jĂŒngste Nachwuchs. Eine Welt stĂŒrzt fĂŒr ihn zusammen, eine Katastrophe bricht ĂŒber ihn herein. EnttĂ€uschung und Fassungslosigkeit. TrĂ€nen. „Ich will keine Brille!!“ Tröstende, aufmunternde Worte von mir und den Geschwistern helfen nichts.

Der Arzt bemerkt langsam, was er mit seiner nĂŒchtern vorgebrachten Aussage angestellt hat. Versucht zu retten was zu retten ist. „Weißt Du,“beginnt er. „es gibt da noch eine andere Möglichkeit.“ Die Eins-Null schaut auf. HĂ€lt inne. „Du brauchst keine Brille, wenn Du Dir eine Spritze in den Po geben lĂ€sst.“ Und fĂŒgt dann grinsend ein „tĂ€glich“ hinzu.

Heul! Schluchz! TrĂ€nen. Hat wohl nicht ganz funktioniert. Sein Humor ist nach wie vor leicht gewöhnungsbedĂŒrftig, stelle ich fest.

Er gibt nicht auf, der Arzt. NĂ€chster Versuch. „Weisst Du, alle klugen Menschen haben eine Brille“. Hawk-Eye-Daughter öffnet Augen und Mund ganz weit, zutiefst entrĂŒstet. Und der Arzt merkt, dass er grad in das nĂ€chste FettnĂ€pfchen getreten ist. Hat er der Lieblingstochter doch erst wenige Minuten zuvor attestiert, Adleraugen zu besitzen und noch lange keine Brille zu benötigen.

Wir verlassen die Ordination – bevor noch weitere NĂ€pfchen Fett spritzen.

Mit den Worten „Ich WILL keine Brille!! Und ich KRIEG‘ auch keine!!“ geht der 10er abends zu Bett.

Am nĂ€chsten Morgen kommt er ins Wohnzimmer. Kein „Guten Morgen!“, kein „Hallo!“. Stattdessen „Wann fahr‘n wir endlich zum Optiker? Ich brauch‘ ne neue Ferse!“ Grinst. „Ähhh. Brille, mein‘ ich.“

© Andreas Trimmel 2020-10-10

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