von Klaus Schedler
Jeder, der so wie ich in einem alten Haus wohnt, kennt das Problem: Im Herbst suchen sich die Mäuse ein sicheres Platzerl. Speziell die sogenannten Hausmäuse (Mus musculus) gelten als Kulturfolger und besinnen sich ihrer im schon im deutschen Namen enthaltenen Bestimmung: Sie werden häuslich.
Bei unserem uralten Haus im Waldviertel beginnt für Mäuse das Haus im „Durchgang“. Es ist dies ein vom menschlichen Wohnbereich getrennter Anbau für die Mistkübel, Fahrräder, Gartengeräte und Gartenmöbel. Dieser „Durchgang“ erschien den Mäusen besonders geeignet. Dort jedoch durfte ich auf Anweisung der Kinder unter keinen Umständen Mausefallen aufstellen. Also legte ich die Verantwortung für die Mäusejagt vertrauensvoll in die Hände – pardon „Pfoten“ – des unseres Katers Silvester. Das Ergebnis glich aber eher einer friedlichen Koexistenz. Seih’s drum.
Dann verstarb unser braver Kater und weil die Kinder schon aus dem Haus waren und sich überdies auch meine liebe Frau mehr in Wien als im Waldviertel aufhielt, verzichteten wir auf einen Nachfolger. Also versperrte ich die alte Katzentür, zumal diese ohnehin nur mehr den Mäusen als bequemer Zugang diente. Dennoch tauchen sporadisch immer wieder Mäuse bei mir auf, sodass ich im Familienrat das Thema „Mausefallen“ wieder auf die Tagesordnung setzte.
Und wieder ergaben sich die alten festgefahrenen Positionen. Nun jedoch versuchte ich einen Kompromiss: Nur Mausefallen mit dem Warnhinweis „MAUSERL PASS AUF!“ dürfen aufgestellt werden. Die hatte ich nämlich schon gekauft und den Schriftzug zum Zeichen meiner Ernsthaftigkeit eingebrannt. Meine Kontrahenten meinten demgegenüber, dass allenfalls sog. „Lebendfallen“ eingesetzt werden dürfen. „Wie viele?“, fragte ich. „Na eine sollte doch wohl reichen.“ „Und wieso spracht Ihr dann von „Lebendfallen“, also der Mehrzahl?“ „Na, wenn Du meinst, dann stell eben zwei auf.“ „Und was mach ich mit den gekauften konventionellen Fallen?“ Die Reaktion kam unerwartet: In Anerkennung meiner Bemühungen darf ich seither im „Durchgang“ nicht nur zwei Lebendfallen (eine Reusenkorbfalle und eine Käfigfalle), sondern auch eine klassische Schlagfalle (mit Warnhinweis) aufstellen. Für meine Mäuse resultiert somit im Durchgang keine tödliche, sondern eine lediglich bedingt lebensbedrohliche Situation. Sie können bei der Festlegung ihres Risikos mit einer Quote von 2 zu 3 eigenbestimmt wählen, ob sie gegenüber dem Tod eine lediglich vorübergehende Gefangenschaft vorziehen.
Ich weiß nicht, ob auch für Mäuse gilt, dass man ihnen nach ihrem Tod nichts Böses nachsagen sollte. Ich kann mir jedoch nicht verkneifen festzuhalten, dass die erschlagenen Mäuse wohl kaum als Kulturfolger gelten konnten, wo sie doch anscheinend nicht einmal Lesen konnten.
© Klaus Schedler 2020-12-27