Von den Gallizismen

JanGroenhain

von JanGroenhain

Story

Kürzlich hat ein unvertrautes Wort meine Gedanken gequert: Gallizismen. Was ist das? Zuerst dachte ich an Zysten auf der Gallenblase, aber solche Gewebefortsätze schienen mir im Kontext unlogisch. Der zweite Gedanke galt den Galliern. Jenen aus dem allseits bekannten, widerspenstigen Dorf, die sich so gerne mit den Römern balgen. Wären das etwa Anhänger von Asterix und Obelix? Oder ein Oberbegriff für Taten, die diese vollführen, wie etwa Römer durch die Luft wirbeln?

Eine kurze «Recherche» führte mich zu Wörtern, die aus dem Französischen kommen und sich ihren festen Platz in der deutschen Sprache erobert haben. Erstaunliche 1500 Begriffe soll es da geben, die zweitgrößte Gruppe nach den Latinismen, noch vor den Anglizismen.

An den europäischen Höfen galt es im Mittelalter als «chic», Französisch zu sprechen. Kaiser Karl V. «parlierte» nur so, außer mit Soldaten und Pferden. Mit dem Dreißigjährigen Krieg hielten französische Begriffe auch außerhalb des Adels Einzug. Das wurde später durch die französische Besatzung unter Napoleon noch verstärkt.

Heute verwenden wir diese Wörter selbstverständlich. Ich habe nie Französisch gelernt, mein Wortschatz ist limitiert. Damit laufe ich Gefahr mich hier, als Nichtlinguistiker, auf glattes «Glace» zu begeben. Aber Französisch klingt beschwingt und blumig. Somit wage ich einen Exkurs:

Tagsüber bin ich meist in der Schreibstube, ohne ein Schriftsteller zu sein. Anders gesagt: Ich verbringe viel Zeit im «Bureau», «pardon», Büro. Meine «Expertise» hat mit «Ingenieur»wesen zu tun. Über mir die Decke, die mir manchmal auf den Kopf fällt. Ich nenne sie lieber «Plafond», das fühlt sich luftig an und lässt Gedanken frei.

Neulich ist mir beim Mittagessen ein «Malheur» passiert. Tomaten«sauce» am weißen Hemd. Kein Unglück, ich hätte mich mit einem Mundtuch, «pardon», einer «Serviette» schützen sollen.

«À propos», um auf ein anderes Thema überzuleiten. Vor einiger Zeit hatte ich ein Stelldichein, ein kleines «Rendezvous». Ihr stilvoller Schattenriss war mir früher schon aufgefallen, er war wie der einer Schaufensterpuppe. Jetzt erst erkannte ich, dass sie eine «elegante»«Silhouette» wie ein «Mannequin» hatte. Bei ihrem Anblick, insbesondere dem ihres Halsausschnittes, war ich plötzlich wie ein Reisender. Denn ihr «Dekolleté» machte mich zum «Passagier» meiner selbst. Ich versuchte mich als «Charmeur», aber meine direkte Annäherung ließ mich ins Fettnäpfchen treten, welch ein «Fauxpas»! Ich tappte mit ihr den Gehsteig entlang, ein beschwingtes «Promenieren» am «Trottoir» war es nicht. Ihre Wohnung, das «Etablissement», lag im unteren Geschoss, im «Parterre». Nach einem «Aperitif» geleitete ich sie ins «Séparée», wo ich eine Knetbehandlung versuchte. Daraufhin behielt sie enttäuscht ihr Morgenhemd an. Hätte ich als «Ouvertüre» eine kunstvolle «Massage» angewandt, wäre das «Negligé» wohl gefallen. Da ging nichts mehr, «Rien ne va plus».

Aber ich liebe Gallizismen.

© JanGroenhain 2021-05-05

Genres
Romane & Erzählungen, Humor& Satire
Stimmung
Komisch, Informativ, Inspirierend
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