Wieviel Seen gibt es wohl in Finnland? Wer 188.000 sagt, liegt gar nicht so falsch.
Der größte See Finnlands ist der Saimaa-See im Osten des Landes – die Perle der Saimaa-Seenplatte. Päijänne und Inari sind mit rund 1.000 Quadratkilometern die nächstgrößeren Seen.
Die Seebecken der finnischen Seenplatte wurden während der Weichseleiszeit von den Gletschermassen „ausgehobelt“. Die Vergletscherung bildete einen Eisschild, der sich vor ca. 115.000 Jahren von den skandinavischen Hochgebirgen bis an die Ostküste Schleswig-Holsteins und nach Nordrussland erstreckte.
Nach dem Rückzug des Eises füllten sich Gletschermulden und Senken mit Schmelzwasser, die teilweise noch mit dem Ancylus-See, einem riesigen Vorläufer der Ostsee, verbunden waren. Durch das Abschmelzen des Eises nahm der Druck auf die Landoberfläche ab und sie begann sich zu heben – ein Prozess, der bis heute anhält. Dadurch wurden diese Becken vom Schmelzwassersee abgetrennt. Noch vor etwa 5.000 Jahren gab es im Süden und Osten Finnlands einen 400 km langen See, der erst nach dem Durchbruch der Flüsse Kymijoki und Vuoksi einen natürlichen Abfluss fand, so dass der Wasserspiegel sank und sich die heutige Topographie herauszubilden begann.
Hinter Oulu, am nördlichen Ende des Bottnischen Meerbusens, beginnt die eigentliche finnische Taiga – die immergrüne Nadelwaldzone. Sie erstreckt sich nach Osten über Kuusamo und Russland bis nach Asien. Das Gebiet an der Ostgrenze Finnlands um Kainuu, Kuhmo und Suomussalmi wird als „wilde Taiga“ bezeichnet.
“Unberührtheit” und „Wildnis“ sind hier die authentischen Merkmale. Hier leben die großen Raubtiere wie Bären, Wölfe und Vielfraße in ihrem natürlichen Lebensraum. Und hier taucht aus den Nebeln des Waldes, aus der Gischt der wilden Stromschnellen, aus den diamantglitzernden Seen die Mystik des Nationalepos – Kalevala – auf.
Über Rovaniemi komme ich immer weiter in die Tundra, die Kältesteppe, das Offenland der subpolaren Klimazone. Tundra ist ein Lehnwort aus dem gleichbedeutenden russischen тундра, das aus dem finnischen Tunturi – baumlose Hochebene – entlehnt wurde.
Über den Tälern Finnisch-Lapplands mit ihren unberührten Wäldern, weiten Mooren und kristallklaren Flüssen erheben sich die kargen Bergrücken der Fjells, die nur von lichten Zwergbirkenwäldern und spärlicher Tundrenvegetation bewachsen sind – eine offene, fast baumlose Landschaft, in der Flechten, Moose, Gräser und die für die Tundra charakteristischen sommergrünen Zwergsträucher wachsen.
Gut 300 km nördlich von Rovaniemi, am Südufer des Inarisee, auf dem Gebiet der Gemeinden Inari, Sodankylä und Savukoski, nahe der russischen Grenze, liegt der Urho-Kekkonen-Nationalpark, eines der größten und ursprünglichsten Wildnisgebiete Europas.
Von Ivalo aus, am Südufer des Inarii-Sees, treffe ich schließlich auf eine bereits arktisch anmutende Landschaft von bizarrer Schönheit und wilder Anmut.
© Heinz-Dieter Brandt 2022-08-23