Von der Ankunft im Land meiner Träume

Nina Dähne

von Nina Dähne

Story

…oder der Suche nach dem Glücklichsein

1. Juli – Ich sitze bereits seit zwei Stunden im Flugzeug und langsam werden meine Augen schwer. Es muss inzwischen gegen 23 Uhr sein, aber ich habe keine sonderlich große Lust, in meiner Tasche nach meinem Smartphone zu kramen, um mich der Uhrzeit zu vergewissern. Ich beschließe, das sonnengelbe Reclam-Heft, in dem ich bis eben noch gelesen habe, fürs Erste zuzuklappen und meine Augen für einen Moment zu schließen. Auch wenn ich weiß, dass ich nicht werde schlafen können. Die Vorfreude, die sich in mir ausgebreitet hat, seit ich mich im Flieger auf den Sitz habe fallen lassen, ist viel zu groß. Ich spüre ein aufgeregtes Kribbeln überall in meinem Körper. In wenigen Stunden werde ich in Island ankommen.

Ich bin in diesem Jahr schon viel gereist. Anfang des Jahres bin ich aus den USA, in denen ich einige Monate gelebt habe, nach Deutschland zurückgekehrt. Knappe vier Monate später habe ich meine Schwester in Schottland besucht. Doch mit der Reise nach Island erfülle ich mir einen ganz besonderen Traum, den ich schon mit jungen Jahren geträumt habe. Island ist das Land meiner Sehnsucht. Wegen der Weite, der Einsamkeit, der unbändigen Natur. Hier hoffe ich, zu meinem Glücklichsein zurückzufinden.

Glücklichkeit und ich, wir hatten schon immer eine eher schwierige Beziehung zueinander. Und dieses Jahr schien wieder einmal eine Aneinanderreihung unglückseliger Gegebenheiten für mich bereitzuhalten. Ich habe ein halbes Jahr in einem fremden Land zugebracht. 9.585,81 km von meinem Zuhause entfernt. Neun Stunden Zeitverschiebung. Als ich zurückkam, war nichts mehr wie zuvor.

Ich bin mir nicht sicher, welche Verkettung von Umständen die letzten Monate bestimmt hat. Oder auch welche Tatsache schwerer wiegt – dass ich mich mit meinen Erfahrungen verändert habe, oder dass sich die Welt, die ich zeitweise verließ, weitergedreht hat. Das Ergebnis war ein simples, wenngleich schmerzhaftes: in einem schleichenden Prozess entfremdeten sich mein als Zuhause geglaubter Ort, die Menschen, die darin lebten und ich. Mein Platz wurde neu besetzt. Am Ende stand ich auf der Suche nach dem verlorenen Glücklichsein.

Ich seufze leise und öffne meine Augen wieder. Nicht nur die Aufregung, auch meine herumkreiselnden Gedanken halten mich wieder einmal davon ab, in einen unruhigen Schlaf zu fallen. Stattdessen lenke ich meinen müden Blick nun aus der ovalen Fensteröffnung schräg vor mir. Unter einer durchbrochenen Wolkendecke breitet sich in der Tiefe ein dunkles, tosendes Meer aus. Doch mehr noch verzaubert das helle Strahlen einer goldenen Sonne, obwohl die Uhr unermüdlich auf 24 Uhr zu tickt. Die Mitternachtssonne begleitet uns, bis wir zur Landung ansetzen und ein neuer Tag anbricht.

© Nina Dähne 2023-01-06

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