von Franz Brunner
Wer hat einen höheren IQ, ein Pflasterstein oder eine Semmel? Ich lasse Sie noch im Unklaren, erklĂ€re Ihnen zunĂ€chst ein PhĂ€nomen aus der Statistik. Um die Masse gehtâs, um genau zu sein, um die Intelligenz der Masse. Sie, dich ich traf, hatte die Masse von etwa 1700 Semmeln und vermutlich proportional deren Intelligenz. Ist doch was, oder? Beim Gewichtsvergleich, da können Sie gerne recherchieren und nachrechnen, das stimmt schon. Das Gewicht der ungustiösen WalkĂŒre schĂ€tze ich mit etwa 85kg, das Gewicht einer Semmel ermittle ich mit 50g. Sehen Sie, jetzt kommt 1700 raus. Und boshaft, wie ich bin, vermute ich diese ProportionalitĂ€t auch bei der Intelligenz. Sollte die Person, die derartiges macht, tatsĂ€chlich so gescheit wie 1700 Semmeln sein? Also, Folgendes ist passiert:
Ich stehe an der Bushaltestelle und warte, in wenigenMinuten sollte mein Bus kommen. Im Abstand eines groĂen Elefanten warten zwei elefantenlose Teenager qualmend wohl ebenfalls auf den Bus und als dieser gleich darauf einfĂ€hrt, lĂ€sst das eine MĂ€dchen ihren rauchenden GlimmstĂ€ngel einfach zu Boden fallen. Dabei hĂ€tte sie nur die Hand ausstrecken mĂŒssen, die Zigarette wĂ€re dann unvermeidlich in den dort stehenden Aschenbecher gefallen. Ich frage sie den UmstĂ€nden entsprechend nur mittelhöflich, warum sie das nicht macht. Schulterzucken und eine grandiose Antwort: „Na und?“ Da wĂ€re einer einzigen Semmel schon eine bessere Antwort eingefallen.
Habe ich mich noch vor kurzem geĂ€rgert, dass ein Ă€lterer Herr bei einem Fernsehinterview meinte, er mĂŒsse auf die Umwelt keine RĂŒcksicht mehr nehmen, weil er doch schon so alt ist, so stelle ich nun betrĂŒbt fest, dass auch manche Jugendliche ĂŒberaus bildungsrestistent sind. IQ und Hausverstand sind offensichtlich ungerecht verteilt und zudem keine ausschlieĂliche DomĂ€ne irgendeiner Altersgruppe.
Ich wĂŒrde die beiden liebend gerne an einen Tisch sitzen und ĂŒber die Zukunft diskutieren lassen. Und nur stumm zuhören, obwohl ich bezweifle, dass ich dabei schlau werde. Ich befĂŒrchte, da lerne ich nichts dazu.
Damit Sie aber was dazulernen, muss ich zurĂŒck zum Anfang dieser Geschichte, zur Intelligenz der Masse, und dann noch weiter zurĂŒck, nĂ€mlich ins Jahr 1907. Auf einer Mastvieh-Ausstellung wollte der Forscher Francis Galton nachweisen, dass Menschen in einer Gruppe bessere Entscheidungen treffen als jeder Einzelne fĂŒr sich das kann. Bei einem Gewinnspiel sollten die Teilnehmer das Gewicht eines Ochsen schĂ€tzen. Der Forscher wertete spĂ€ter die SchĂ€tzungen aus und stellte verblĂŒfft fest: Im Mittel tippten die Befragten 1207 Pfund, tatsĂ€chlich wog das Tier 1198 Pfund, also nur neun Pfund weniger. Das klappt nicht nur mit Ochsen. Eine Gruppe von Laien beantwortet Fragen in vielen FĂ€llen besser als Experten.
Bitte das jetzt keinesfalls auf die aktuelle Situation mit dem Virus umlegen, da scheint es mir schon gesĂŒnder zu sein, auf einen seriösen Experten zu hören als auf einen Haufen Covidioten.
© Franz Brunner 2021-04-24