Von der QualitÀt der Erinnerungen

Peter Schwanter

von Peter Schwanter

Story

Ändert sich die QualitĂ€t der Erinnerungen ebenso schnell wie die QualitĂ€t der Fußballdressen, oder ist das nur der Gnade des raschen Vergessens von „schlechten“ Erfahrungen geschuldet? Wenn ich heute durch SportgeschĂ€fte oder „StandlmĂ€rkte“ schlendere und das Überangebot an Fußballtrikots betrachte, beschleicht mich das GefĂŒhl, dass der Bezug, zu einem Verein oder gar zu einem bestimmten Fußballer, mehr als inflationĂ€r geworden ist.

In meinen Kindertagen habe ich mir von meiner Mutter nach langem Betteln die Erlaubnis geholt, eines meiner alten „Ruderleiberln“ – so nannte man bei uns in KĂ€rnten in den 70ern die T Shirts – nach meinen Vorstellungen zu einem Fußballdress umzugestalten.

Ich war zwar zu dieser Zeit schon ein glĂŒhender „Rapidler“, aber zu meinem Pech spielte mein großes Idol – Bruno Pezzey – in Tirol bei Wacker Innsbruck. Also wurde mein erstes Fußballtrikot eine Mischkulanz aus diesen beiden Vorgaben, die meine junge Fußballleidenschaft bestimmten. Ich trug es mit Stolz und keiner meiner Freunde hat jemals daran Anstoß genommen.

Wenn ich heute mit meinem 10 jĂ€hrigen Neffen Nathanael zum Fußballtraining gehe, wimmelt es da nur so von Ronaldos, Messis und Lewandowskis. Ab und zu sieht man auch noch ein kroatisches oder deutsches Nationaltrikot und die allgegenwĂ€rtigen „Bayern MĂŒnchen Leiberl“ („Wer zieht sich freiwillig so etwas an?“, frage ich mich dann immer). Ganz selten aber erblicke ich etwas Österreichisches. Und wenn, dann zu meiner großen Freude, hĂŒpft mir das „GrĂŒn – Weiss“ von Rapid ins Auge.

Was ich aber am meisten vermisse, sind die Vorbilder im eigenen Verein. FĂŒr mich und meine Freunde waren in unseren Jugendtagen neben den österreichischen und auslĂ€ndischen Idolen, immer auch die Spieler unserer Kampfmannschaft, der „Ersten“, wie sie genannt wurde, Vorbilder. Mit denen wollten wir uns messen, in dieser Truppe wollten wir unbedingt spielen.

Ich werde nie vergessen, wie wir uns gebalgt haben, als der Zeugwart des SV Paternion einmal eine Kiste mit alten und ausrangierten Dressen der „Ersten“ zu uns in die Kabine brachte und wir uns jeder ein Trikot aussuchen durften. 15 Buben standen binnen einer Minute frisch eingekleidet da, jeder ein Leibchen der Kampfmannschaft an, das ihm bis zu den Knien reichte, aber mit einem Strahlen im Gesicht, als hĂ€tten wir es von Johan Cruyff (damals ein Star, wie es heute Lionel Messi ist) persönlich ĂŒberreicht bekommen.

Wenn ich jetzt so in der Vergangenheit herum schlendere, beschleicht mich das GefĂŒhl, dass die QualitĂ€t der Erinnerungen anscheinend im Alter doch zu und nicht abnimmt.

Gerade jetzt habe ich den Geruch einer Fußballkabine in der Nase, die von 15 Buben nach einem Training bevölkert wird.

© Peter Schwanter 2020-01-29