von Lotte Maria Kaml
„Er hat sich beworben!“ Fassungslos stand sie vor mir. „Wer denn, wo?“ wollte ich wissen und sah sie erstaunt an. Ich hatte gerade ein paar Tage bei Eva in Kärnten verbracht. Auf einem Campingplatz, eine ganz neue Erfahrung für mich. Sie hatte schon seit Jahren ihren Standplatz am See, jedes freie Wochenende verbrachte sie in ihrem “Paradies“, wie sie begeistert schwärmte. Der alte Wohnwagen hatte zwar schon bessere Tage gesehen, aber sie hatte ihn mit viel Eigeninitiative wieder auf Vordermann gebracht. Die Sitzbänke frisch bezogen, eine neue Küche eingebaut, sogar die Stores vor den Fenstern hat sie selbst gehäkelt.
Ihre Nachbarn sind nett, kontaktfreudig, aber nicht aufdringlich. Am Abend, wenn die Sonne mit einem spektakulären Farbenspiel im See versank, wurde es richtig idyllisch. Aus irgendeiner Ecke klang immer Musik, Gitarrenklänge oder einfach fröhliches Singen. Dann stieg der Duft von Gegrilltem in die Luft, lautes Lachen und Urlaubsfeeling machte sich breit.
Der unmittelbare Nachbar von Eva war ebenfalls Dauer-Camper. Am kleinen Fleckchen Grün vor seinem Wohnwagen hatte er eine Rosenhecke gepflanzt. Zu ihren Füßen wuchs Lavendel, der Wind trug den Duft bis zu uns herüber. Eine Idylle.
Dieser Mann hatte ein paar Eigenheiten. Schon seit einigen Jahren in Pension, kümmerte er sich gerne um die Belange seiner Nachbarn. Schon am frühen Morgen sah man ihn Müll einsammeln, er hatte ein Auge auf die teuren Wohnmobile, wenn ihre Besitzer unterwegs waren und wehe, er fand eine Zigaretten-Kippe! Dann schrieb er eigenhändig ein „Rundschreiben“, welches er auch selbst verteilte. Mit Klebeband befestigte er die Zettel an jeden Wohnwagen. „Feuer ist gefährlich!“, war da zu lesen. „Rauchen nur am See!“
Für seine Dienste ließ er sich zum Abendessen einladen, reihum. Dann saß er wortlos da, mit einer Dose Bier in der Hand und je später es wurde, umso lauter seufzte er vor sich hin. Ich war erstaunt, dass niemand darauf reagierte.
Eva erklärte mir: „Ja, es ist halt ein Malheur! Seit er keine Frau mehr hat, wird er ein bisschen sonderlich. Sie ist ihm vor zwei Jahren davongelaufen.“ Es gab nur einen Abend, an dem er sich nicht blicken ließ. Wenn im Fernsehen „Liebesgschichten und Heiratssachen“ kam. Das war ein Pflichttermin. Und jetzt war die Überraschung perfekt: er wollte wirklich bei Elisabeth T. Spira eine neue Liebe finden!
Ganz schön mutig, dachte ich. „Stell dir vor!“, erzählte Eva weiter, „der Skandal!“ Aufgeregt setzte sie sich auf meinen Küchen-Hocker. Ihr Nachbar war tatsächlich im Gespräch für die nächste Sendung. Ein „Lokalaugenschein“ am Campingplatz mit Interview ging aber gründlich in die Hose. Der unglückliche Single hatte vergessen, eine Kleinigkeit zu erwähnen: er war immer noch verheiratet! Nix war mit hundert Briefen von verliebten Frauen und dem großen Glück. Seine Frau nahm das Behördliche dann in die Hand. Aber ich befürchte, ins Fernsehen kommt er jetzt nicht mehr. Sachen gibt´s!
© Lotte Maria Kaml 2020-07-20