von Margit Schinerl
Was ist das Gegenteil von “Lieblingswort”?
Hast du eines? Ein Wort, das du immer wieder, weil gerne, verwendest und sogar eigens Sätze konstruierst, damit dieses eine Wort sinnvoll hineinpasst. Ein Wort, das dir gefällt, allein von der Schreibweise. Ist es ein Hauptwort oder ein Verb, ein Adjektiv oder ein Name? Ein langes, zusammengesetztes oder ein ganz kurzes? Bei sehr jungen Menschen ist der Gebrauch oft modeabhängig, es ist gerade sehr in, echt hip, unentwegt “lässig” oder “mega” oder eines mir jetzt nicht so geläufiges zu sagen, oder ständig ein “Oida” einzuwerfen. Bisweilen ertappe ich mich dabei, in ärgerlichen Situationen häufig ein gewisses F-Wort zu verwenden. Vielleicht nur Gewohnheit, weniger aus Vorliebe für dieses Wort? Vielleicht sollte ich mich einfach weniger oft ärgern.
Nun aber zu einem Wort, welches definitiv nicht zu meinem präferierten Gebrauch “zählt”. Haha: Zahlen. Das mag ich weder als Nominativ noch als “Tunwort”. Vielleicht hab ich in früheren Texten schon mal erwähnt, dass meine Affinität zu Zahlen nicht sehr stark ausgeprägt ist. Sämtliche Wörter, die im Konnex mit Zahlen stehen, sind mir unsympathisch: Rechnung. Steuern. Mathematikschularbeit. Betriebskostenabrechnung. Oh Graus. Wann immer ich in die Nähe vom Z-Wort kommt, versuche ich sofort, dieses Anti-Lieblingswort auszugleichen mit einem “schönen ” Wort. Wie Schreiben z.B. Oder Lesen, Schrift, Papier. Bibliothek. Kalligraphie. Welch schönes Hobby das sein muss. Buch. Bei “Buch”haltung jedoch beginnt sich meine Mine leicht zu verändern.
Ähnlich verhält es sich beim “Passwort”. Ein Pass – ein Wort? Mein Pass hält Wort? Zumindest solange er gültig ist. “Access denied” jedoch versetzt mein Aggressionspotential in Alarmbereitschaft. Nochmaliger Versuch mit extra langsamer Eingabe und vollster Konzentration. Und laut vorgesagt, unter der Voraussetzung, dass ich die einzige Anwesende im Raum bin. Benutzername oder Passwort falsch. Mein Blutdruck steigt, ich muss das Fenster öffnen. Einen dritten und letzten Versuch habe ich noch: Groß- und Kleinbuchstaben in richtiger Reihenfolge in korrekter Kombination mit den Sonderzeichen. Ich weiß, es muss stimmen. Die Antwort erscheint in roter Schrift. Ihr wisst, was das bedeutet.
Ich gehe zu meinem Schummelzettel, der am geheimen Ort aufbewahrt ist, und kontrolliere das Datum der letzten Passwort-Änderung. Ich hab alles richtig gemacht, das eingetippte Passwort sollte stimmen.
Dem Wahnsinn einen Schritt näher, entscheide ich mich für die brutale Methode: Escape, herunterfahren, ausschalten. Exit und Pause machen. Kann mich EIN Mensch verstehen, warum “Passwort” nicht zu meinen Lieblingswörtern zählt? Nun ist es an der Zeit, mir Gedanken über ein wirklich schönes Wort zu machen.
© Margit Schinerl 2023-01-08