Von Mickey Mouse & Liebe.

Franz Brunner

von Franz Brunner

Story

Zum FrĂŒhstĂŒck gibt’s heißes Wasser, der Brotkasten ist gĂ€hnend leer und die Butter bleibt im KĂŒhlschrank. Aus dem Lautsprecher jammert eine weibliche Stimme auf Spanisch, dass irgendwas mit ihrem „Corazon“ nicht stimmt. Na ja, wenigstens das scheint im heimischen Haushalt halbwegs rundzulaufen. Halbwegs, wohlgemerkt, denn mir wurde gestern mögliches Verbesserungspotenzial verbunden mit ÄnderungswĂŒnschen erlĂ€utert.

Ich lĂŒmmle in ungesunder Körperhaltung im Fernsehsessel und versuche, ein paar aufheiternde Zeilen in mein Notebook zu klopfen. Immerhin ist 1. April, da gehört einer bösen Tradition folgend unbedingt jemand in den selbigen geschickt. Und natĂŒrlich soll’s lustig sein. Ich plage mich redlich, doch ich bleibe von jeglicher Eingebung verschont.

WĂ€hrend ich nach einem verarbeitbaren Scherz ringe, poppt ein Fenster auf dem Monitor auf. Kaspersky Internet Security empfiehlt, dringend was zu tun. Nicht schon wieder die Russen, auf die bin ich gerade nicht gut zu sprechen. Ich verspĂŒre GĂ€nsehaut, dabei hat die gar nichts mit meinem Temperaturempfinden zu tun.

Die Lust auf Lesen hĂ€lt sich in Grenzen, der spĂ€rliche Elan reicht fĂŒr Hermann Hesse und die „LektĂŒre fĂŒr Minuten“. Doch seine kundige Feststellung, dass die Welt außerhalb der IrrenhĂ€user nicht minder drollig sei wie drinnen, vermag meine Stimmung nicht zu heben. Recht hat er, der Hesse, wenn auch das Attribut „drollig“ eine sehr bizarre Beschreibung fĂŒr den Zustand der Welt ist. Der ersehnte Regen ist endlich da, allerdings hat es um 15 Grad abgekĂŒhlt. Vereinzelt wagen sich wieder Kohlmeisen und Spatzen an das im Wind schaukelnde FutterhĂ€uschen.

Noch habe ich 5 Tage Suppenfasten vor mir, angeleitet von einer großartigen Köchin. Gestern gab’s Karotten-Sellerie-Suppe mit Sezchuan-Pfeffer, fein pĂŒriert und absolut lecker. Ehrlich, ich freue mich auf die heutige Überraschung. HĂ€tte ich tatsĂ€chlich auch das digitale Fasten, also kein Internet und keine Emails, also hĂ€tte ich das durchgezogen, wĂ€re mir die erste Überraschung des Tages erspart geblieben. Der Stromversorger teilt uns mit, dass sich sein Tarif ab Mai um 60 % verteuert, der Gasversorger erhöht seine Vorschreibung gar um 110 %. Wie soll mir da noch ein konkurrenzfĂ€higer Aprilscherz einfallen?

Ein prĂŒfender Blick durch das Wohnzimmer bringt ebenfalls keinen erheiternden Input. Meine Ukulele, oftmals ein Garant fĂŒr Fröhlichkeit und Leichtigkeit, steht seit Wochen unbespielt im Eck, nur noch berĂŒhrt, um den Staub abzuwischen. Der zu frĂŒh gekaufte Schoko-Osterhase grinst zynisch vom Regal, er zelebriert offensichtlich seine Galgenfrist.

Derweilen meine Mundwinkel bestĂ€ndig den Weg nach unten suchen, erscheint die Erlöserin. Ich kann gar nicht anders, als laut zu lachen, als mir meine liebste ErnĂ€hrungsberaterin leckeren Brennnesseltee serviert. Sie grinst ĂŒber beide Ohren und von ihrem T-Shirt winkt mir demonstrativ Mickey Mouse zu. Ich liebe sie, kein Scherz.

© Franz Brunner 2022-04-01

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