von Fritz Schuler
„Nichts für ungut, lieber Mann. Hat nichts mit ihnen zu tun. Hier unten rechts unterschreiben und Sie sind frei wie ein Vogel.“
Hey, was soll das, dachte ich, wollen die mich testen, wie ich damit umgehe?
„Wartet! Mein Fallschirm“, rief ich.
„Zu spät, das ist Teil des Tests.“
Kick in the ass und ab ging’s. Im Nu von Null auf zweihundert dem Boden entgegen. Meine Pupillen waren seltsam geweitet. Mein Mund offen. Wie eine besoffene Schraube drehte ich mich durch die Luft. Den Magen hatte es mir ausgehoben. Der Wind riss mir Tränen aus den Augen. Was hatte ich Angst, verdammte Angst! Während ich so in die Tiefe purzelte und mich nach Sicherheit sehnte, um alles in der Welt Sicherheit, gerieten auch meine Gedanken vollkommen durcheinander.
Vor kurzem noch war ich oben. Nun übte ich den freien Fall. Aber was heißt schon oben? Sicherheit? Mit gutem Gehalt und Arbeit. Und dann kam Managementwechsel – neue Besen – neue Leute. Alles dreht sich, alles bewegt sich. Sicherheit, Sicherheit, ach was! Vergiss es. Die gibt’s nicht. Die einzige Sicherheit ist der Wandel.
Ich hatte mich einigermaßen erfangen, trudelte nicht mehr wie ein Tolpatsch, als plötzlich im rot-flatternden Anzug ein Typ neben mir schwebte. Mit Helm und Brille. Professionelle und souveräne performance. Fluglehrer-Typ.
„Aaaaaaaaaaaaahhhhh …“, brüllte es aus mir, weil ich mir wohl Hilfe von ihm erhoffte.
„Halt’s Maul“, sagte er. „Willst du in diesem erbärmlichen Zustand gefilmt werden?“
„Waaaaas?“
„Dieser Test ist dazu da, um herauszufinden, was du alles versuchst, um nicht zu sterben.“
„… n i c h t z u s t e r b e n?“ wiederholte ich. – „Aber ich weiß doch gar nicht, was ich machen soll.“
„Na dann hoffen wir, dass du es bald herausfinden wirst.“
Und weg war er. Erst wenn du Boden unter deinen Füssen berührst, kannst du dich von ihm abstoßen, hörte ich eine alte Weisheit in mir plappern. Reiss dich zusammen, sagte ich mir. Cool down. Jetzt ist höchste Zeit für meine Notfallsachen. Irgendwo in meinem Eastpak musste doch so was wie ein Knirps sein! Oder ein Schirm, ein Schirm. Und zwar schnell; denn im Nu bin ich wieder unten. Ich kramte ein Buch hervor: „Survival Training“. Nein, das hätte zu lange gedauert, bis ich es gelesen hätte und überlies es dem Wind, der es mir sofort aus den Händen riss. Ein Hufeisen, mein Glücksbringer. Was für unnötige Gegenstande. Weg! Wo war nur der verdammte Regenschirm? – Ja, da war er. Der Fallwind riss ihn ganz von allein auf und tatsächlich – ich schwebte durch die Luft.
Gerettet. Ich war gerettet. Jetzt würde alles gut werden. Ich war in Sicherheit. – Meine Freude hielt jedoch nicht lange. Ober mir zogen böse Gewitterwolken auf und mit ihnen: Blitz und Donner. Es dauerte nicht lange, es krachte … und Himmel noch mal, das Universum ist so verdammt groß. Aber warum musste es genau bei mir einschlagen? Irgendwo zischte es, dann sah ich meinen brennenden Schirm. Und wieder ging’s bergab …
© Fritz Schuler 2019-09-21