von Thomas Paar
Sprichwörter. Mein Opa erzählte mir früher immer einige davon, natürlich waren es nur gut gemeinte Ratschläge. Ein spezielles lässt mich nicht mehr los. Seit Kindheitstagen verfolgt es mich. Egal was ich mache oder tue, wie oft ich auch umgezogen bin. So als hätte ich einen Chip in mir drinnen, über dessen Signal man mich ausfindig machen kann. Es gibt Phasen, da lässt es mich in Ruhe. Doch plötzlich ist es wieder da, in seiner vollen Pracht. Dann blinkt es in meinem Kopf, wie eine Warnleuchte, die von einem auf den anderen Moment im Auto aufleuchtet.
„Der Mensch ist ein Gewohnheitstier“. Dieser eine Satz oder dieses eine Sprichwort von meinem Opa begleitet mich seitdem ich denken kann. Selbst wenn ich es nicht wahrhaben will, er hat recht. Aber warum ist das so?
Sehr oft dreht es sich um eingespielte Abläufe, um Routinen oder Gewohnheiten.
Vor vier Jahren habe ich damit begonnen, jeden Tag spazieren zu gehen und Trainingsübungen zu machen. Natürlich gibt es mal Situationen, in denen es nicht möglich ist, zum Beispiel, wenn ich krank bin oder wenn es sich nicht einrichten lässt. Anfangs war es etwas Neues. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase wurde es zur Gewohnheit. Heute, vier Jahre später, ist es Routine. Mit Anpassungen nach allen drei Monaten (von Therapeuten und Ärzten begleitet). Jeden Tag spazieren und montags bis freitags Übungen. Zur Belohnung am Wochenende „frei“. Still und heimlich mauserte sich die Gewohnheit zur Routine und ist heute ein Fixpunkt in meinem Tagesablauf. Man sollte doch denken, dass es etwas Gutes ist, oder? Sicher bin ich mir da nicht mehr. Es wirkt bei mir eher wie ein zweischneidiges Schwert. Ja, ich bin gerne draußen und die Übungen tun mir gut, aber nein, ich schaffe es nicht ohne wirklichen Grund, den Ablauf zu durchbrechen. Denn dann meldet sich mein Gewissen. Klopft an in meinem Kopf und fragt mich, wieso ich einen „unentschuldigten Tag“ Pause machen will. Wenn es mir gelingt, mein Gewissen zu besänftigen und ich mich schon in Sicherheit wiege, dann geht es erst richtig los. Denn dann holt sich das Gewissen Verstärkung und ruft den inneren Schweinehund dazu. Dieser fährt dann andere Geschütze auf. Selten gelingt es mir, gegen dieses Duo anzukommen. Dann komme ich mir vor wie David gegen Goliath. Was mich zu der Frage führt, ob Routinen und Gewohnheiten gut sind oder nicht? Ist es ein Zeichen von Stärke, wenn man sich an fixe Muster haltet? Zeugt es von Schwäche, wenn man es sich in der kuscheligen Wärme der Gewohnheit gemütlich macht? Wenn es neue Situationen in meinem Leben gibt, mit der Möglichkeit, eine Gewohnheit oder Routine zu werden, dann ist es wieder soweit. Unweigerlich kriecht das Sprichwort aus seinem Versteck und schaltet seine Warnleuchte in meinem Kopf an.
Jedes Mal, wenn dieses Sprichwort in meinem Kopf aufleuchtet und ich es laut ausspreche, dann habe ich meinen Opa vor Augen, der zu mir sagt: „Der Mensch ist ein Gewohnheitstier“!
© Thomas Paar 2021-10-28