Von Sandburgen

David-Rosterberger

von David-Rosterberger

Story

Der Junge war schon eigenartig. Auf seine eigene Weise. Während die anderen Kinder tobend ins Meer rannten, schwammen, sich gegenseitig untertauchten und irgendwelche Wasser-Spiele spielten, saß er da wie ein Baumeister und richtete sich sein Werkzeug her, bevor er mit den Arbeiten losging. Eine große, eine kleine Schaufel und verschiedene Kübel. Er sah hyperfokussiert aus. Als gäbe es um ihn herum nur den Sand, seine Werkzeuge und seine Fantasie.

Zunächst nahm er sich viel Zeit, um mit einem Stock Linien zu ziehen. Das war insofern verblüffend als-das Kinder normalerweise, wenn wild drauf Losbauten. Er hingegen schien ein Plan zu verfolgen, ein Konzept umzusetzen, so wie das sonst nur Erwachsene tun.

Die Linien waren gezogen, die ersten Mauern errichtet. Es folgten Türme, Tore und danach die Feinheiten. Zinnen mit einem winzigen Stock eingraviert, dann Dachziegel. Die Kinder spielten. Er baute! Sie holten sich Eis. Er baute! Er war dabei, den Burggraben zu ziehen, da sprang einer der Junge mitten in die Festung hinein. Lachte laut, trampelte wild um sich und in wenigen Sekunden war zerstört, wofür er einen ganzen Tag gebraucht hatte.

Ich fragte den Jungen, warum er diese Zerstörung angerichtete hatte. Er zuckte mit den Achseln und sagte: „Bloß so.“ Er wusste es nicht. Seine Mutter packte seinen Arm, riss ihn weg, und schimpfte so laut, dass man es vermutlich auf der anderen Seite des Meeres noch hören konnte. Beide Burschen weinten. Ich begann mich unweigerlich zu fragen, ob das eben die Natur des Menschen war.

Manche sind Erbauer, andere Zerstörer und am Ende ist niemand glücklich. Menschliches Verhalten im Mikrokosmos einer Sandburg. Und dann begann ich über die Erde nachzudenken, diesen großen grünen Planeten, den es seit mehr als vier Milliarden Jahren gibt. Und Menschen, die diesen unvorstellbar lange bevölkern. Und in weniger als einem Wimpernschlag womöglich alles Zerstören. Ein wütender Sprung. Und dann fragen nachkommende Generationen irgendwann warum und wir antworten: „Bloß so.“

© David-Rosterberger 2022-02-15

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