Von wegen dumme Kuh!

AlfonsX

von AlfonsX

Story

Als ich 13 Jahre alt war zog ich zu meinem Vater aufs Land. Sein Haus stand als letztes direkt am Ortsrand. Es grenzte an eine große Wiese und im Sommer ließ der Bauer auf dieser die Kühe weiden. An der Nordseite des Hauses war der Zaun nur knapp einen Meter vom Haus entfernt. Die Abgrenzung war eigentlich nur ein dünner Draht der unter Spannung stand, so wie das oft als Umzäunung von Viehherden benutzt wird. Es kam also oft vor, dass sich Kühe direkt vorm Wohnzimmerfenster aufhielten und dort einige Zeit grasten. Wenn alles vor dem Zaun abgefressen war versuchten sie vorsichtig, ohne den Draht zu berühren, an die hohen Grashalme dahinter zu kommen und streckten dazu ihre Köpfe weit vor. Sie kamen so noch näher ans Haus heran.

Vor dem Fenster hatten wir einen durchsichtigen Vorhang hinter dem ich oft stand und die Kühe beobachtete. Eines Tages öffnete ich diesen unbedacht und eine Kuh erschreckte sich gewaltig. Mit einen Satz sprang sie zurück und rannte davon.

Irgendwie fand ich Gefallen daran und so wiederholte ich das Spiel jedesmal wenn eine von ihnen in die Nähe des Fensters kam. Ich entwickelte sogar eine Technik bei der ich den Vorhang noch schneller zur Seite reißen konnte um den Effekt noch zu vergrößern. Es machte mir so einen Heidenspaß, dass ich nicht davon ablassen konnte.

Die Kühe waren unterschiedlich gescheckt, manche so auffällig, dass ich sie auf Anhieb wiedererkannte. Ich kam so bald zu dem Schluss, dass sie wohl nie daraus lernten, denn sie fielen immer wieder erneut auf meinen Schabernack herein. Ich fühlte mich überlegen und beinahe verächtlich qualifizierte ich sie als strohdumm. So ging das über Wochen wenn auch nicht jeden Tag. Doch ließ ich keine Gelegenheit aus um sie zu ärgern, funktionierte es doch immer wieder aufs Neue. Das sollte sich bald ändern.

Manchmal, wenn mehrere Kühe gleichzeitig dort standen, erschreckte sich eine, andere aber nicht. Diese blieben dann eine zeitlang stehen und protestierten lautstark. Ich dachte mir nichts dabei, was immer das auch bedeuten sollte. Ich hatte nicht begriffen, dass sie doch anfingen zu lernen.

Von da ab dauerte es nicht mehr lange und es kam zum Showdown. Die armen Tiere hatten es wohl gehörig satt. Eines Nachmittags versammelten sie sich vor dem Fenster und fingen alle gemeinsam an zu muhen. Immer mehr kamen dazu, als hätten sie sich abgesprochen. Am Ende stand ich gut 30 Kühen gegenüber. Dieses Mal ließ ich den Vorhang geschlossen, machte ich mir doch vor Angst fast in Hose. Sie rührten sich nicht vom Fleck, drängten sich hingegen immer mehr zusammen und machten ihrem über Wochen aufgestauten Ärger Luft. Dabei scharrten sie stetig mit den Klauen, so als ob sie Anlauf nehmen wollten um durchs Fenster zu brechen.

Das ganze dauerte etwa eine Stunde. Danach zogen sie nach und nach ab. Ein großer Stein fiel mir vom Herzen. Die gar nicht so dummen Kühe hatten mir eine gehörige Lektion erteilt.

Von da ab ließ ich sie in Ruhe.

© AlfonsX 2020-04-28