Von Zitzen und anderen Weiblichkeiten

Gertraud Tabernig

von Gertraud Tabernig

Story
2019

All jene, die jetzt inne halten und den Titel noch einmal lesen…keine Angst, ich will weder einer Frau zu nahe treten, noch einer Kuh – wir treffen uns auch nicht auf einer sexistischen Ebene – nein, nein bloß nicht!

Wir treffen uns lediglich auf einer biologischen Ebene, denn ich versuche ihnen zu erklären, wie ähnlich wir Lebewesen uns sind! Das Erste, was ich von meinem Mann zu hören bekam, als sich unsere Tochter ankündgte: „Des is wia bei da Kua! 40/41 Woch´n Tragezeit, selber Zyklus. Jede Kua, de sich gnuag bewegt auf da Wies´n, kriagt ihr Kaibl leichter!“Ich muss zugeben, dieser Vergleich war wenig schmeichelhaft! Ab jetzt beobachte ich die werdenden Kühe. So kam eine lebendige Kuh nie ÜBER den Geburtstermin! Tja, und so war es auch bei mir!

Ohne es zu wissen, war ich jeweils am selben Tag der Geburt noch im Stall und half mit. Ich gebar unsere Kinder deswegen nicht weniger schmerzhaft, sie kamen lediglich 1-3 Wochen früher. Immer kerngesund und „ausbocha“(fertig gebacken), wie man bei uns sagt. Immer wenn wir heute eine Kalbin zum ersten Mal melken, dann fühl ich mit ihr! Denn der Stillbeginn war immer SEHR schmerzhaft! Das Stechen in den Brustwarzen,der Milcheinschuss – also ich fühlte mich dabei oft, wie eine Kuh. Ich bin mir sicher, so ging es jetzt auch der Kalbin! Es dauert ca 1-2 Wochen, bis sie das Melken ohne Schlagen und Treten zulässt – na, zum Glück – dazu kam es BEI MIR nicht!

Zu Beginn ist das Euter einer Kalbin immer sehr klein und fest. Das ändert sich aber im Laufe eines Kuhlebens gewaltig. Am meisten staune ich – seit dem „i a GSCHEITE Bäuerin“ bin und selber melke, welch gravierenden Unterschiede es bei den Kühen gibt! Nicht nur beim Melken, beim Euter sondern vor allem bei den Zitzen! So brauche ich bei jungen Kühen fast ein Stockerl, da ich kaum an die Zitzen rankomme, andere wiederum streifen schon fast am Boden! „Tja, das sind ja schöne Aussichten!“

Da ich als Schneiderin über verschiedene Brustgrößen und Formen Bescheid weiß, so beobachte ich diese Thematik, seitdem ich die Zitzen selber in Händen halte, um so intensiver. So spricht man bei der Kuh von 4-Vierteln, doch sah ich noch keines, das gleich war, wie die anderen Vierteln. Es gibt kurze, lange, schmale und sehr fleischige Zitzen. Welche, die weit auseinander stehen und welche, an die ich nur schwer das Melkzeug anbringen kann. Dass ich in diesem Leben noch irgendwann zur Zitzen-Expertin werde, das hab ich mir nie gedacht! Dass ich nochmals zur täglichen „Kuah-Duttn-Massage“(Kuheuter) komme, auch das schloss ich aus! Doch, dass ich dabei irgendwann FREUDE empfinde und gerne in den Stall gehe, um zu Melken und mit anzupacken – mich GEBRAUCHT und RICHTIG fühle – das ist wohl DAS WUNDER, von dem meine Seelen-Heilerin sprach!

So entwickelte ich mich von der einstigen „Pseudo-Bäuerin“ zur STOLZEN und respektierten Bäuerin – bitte, was ist das für ein AUFSTIEG! Dafür bin ich dem Himmel UNENDLICH dankbar!

Danke auch – Toni, dass du so lange mit mir durchgehalten hast!

© Gertraud Tabernig 2019-07-03

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