von Petra Stoppacher
Ein wenig bereue ich es, kein Kind mehr zu sein. Als selbststĂ€ndige Person brannte es mir unter den FingernĂ€geln, jemandem mein Leid zu klagen, zugleich aber war ich wie gelĂ€hmt. Blieb mir also nichts als TrĂŒbsal zu blasen. Jeder neue Tag gebiert neue Chancen, habe ich gelernt, und bis zum Morgen zu warten fĂ€llt mir dennoch schwer.
FrĂŒher hatte ich ein anderes Laster: Aus Bequemlichkeit leitete sich nicht selten die mir nur zu bekannte âsoziale Völlereiâ ab. Sie lenkt ab, diese stĂ€ndige Bedachtheit, durch gewisse eigene VorzĂŒge unnötig hervorzustechen. Sie gibt Sicherheit. Und sie ist eben vor allem eines: bequem, auch wenn man das eine oder andere Mal freundlich gerĂŒgt wird dafĂŒr. Nach einem schlichten, anstrengenden Tag ist man bloĂ mĂŒde; war der Tag jedoch ĂŒberladen, geht einen abends dann manch lebensmĂŒder Gedanke an, ganz als ob man sich am starken Tag, der solche Zweifel in seinem Verlauf nicht aufkommen lieĂ â auch nicht die Zeit dafĂŒr hatte â revanchieren will, indem man ihn nicht gehen lassen will. âNimmâ mich mit!â, ruft man ihm nach und schaukelt höher als der Wind und springt vom Schaukelbrett.
Als ich nicht mehr höher springen konnte, begann ich, mich auĂer fĂŒr mich selbst auch fĂŒr den Rest zu interessieren. Was war ein verschwendeter Tag? Ein Tag, der glatt ablĂ€uft, ohne dass man sich stöĂt zum Beispiel, ist der verschwendet? Ich denke an Peinlichkeit. Peinlichkeit macht alles Feine nichtig.
Also Spieglein, an der Wand…?
Es ist oft nicht einfach, jemandem oder etwas mehr Beachtung zu schenken, ohne dass es dabei seinen besonderen Reiz einbĂŒĂt. Oder gar Angst macht. Ich war im Folgenden ganz oft unsicher. Es war unsagbar schön, all das, was sich mir bot; bewohnt von GerĂ€uschen und von sanften Nuancen, wenn man genauer hinsah und hinhörte. Nichtsdestotrotz hatte ich Angst vor diesem Ungeheuer namens Leben, denn auf den ersten Blick schĂŒchterte es ein, und diese Angst erhielt sich noch lange Zeit in meiner Brust.
Doch ab und an lohnt es sich, die eigene SchĂŒchternheit abzuschĂŒtteln; da perlt das Lachen von mir ab und um mich herrscht Harmonie, die ich allein nie erleben hĂ€tte können. So hat es immer schon sein sollen, aber eben erst dann, wenn ich auch bereit war, diese Leichtigkeit zu empfinden. Das hat gedauert, aber seit der Moment eingetreten ist und langsam wie ein steter Tropfen den Stein erweicht, ist alles gut, wirklich alles gut.
Und da denkt man sich doch; wie hat man sich dorthin entwickelt, wo man ist? Was hat sich alles getan, bis man bereit war, das zu tun, was man heute um seines eigenen GlĂŒckes willen tut? Ein wenig Zweifel gehört zum GlĂŒck dazu. Sonst empfindet man es eher als SelbstverstĂ€ndlichkeit denn als GlĂŒck. Und am Ende kommt dann ein gefĂŒhlvoller Abschied. Am Ende hat ja nichts im Leben mehr Gewicht. Alles „Gewichtige“ ist wertlos, wenn man diese Erde verlĂ€sst, und es bleibt nur alle Leichtigkeit ĂŒbrig, die zuvor unbemerkt zwischen den Tagen verschwand und die jetzt leuchtet wie Neonlicht in der Nacht.
© Petra Stoppacher 2019-08-13