Vorahnung

Stephanie Süss

von Stephanie Süss

Story
2023

Nach einem schönen Wochenende wusste ich bereits am Montag, dass die Woche nicht gut laufen würde. Diese Vorahnungen und dieses Gefühl von Machtlosigkeit, dass sich in der Magengegend ansiedelt und dein Denken bestimmt. Dieses schreckliche Gefühl machte sich breit. Die Termindichte würde mich überfordern und meine Laune sank merklich. Den Montag verbrachte ich schweigend in meinem Büro und immer wieder beschlich mich ein Gefühl von Bedrücktheit und Schwermut. Ein fieses Kribbeln in der Magengegend, dass nichts Gutes bedeutet. Eines, dass du nicht wirklich bekämpfen kannst. Eine Art Ohnmacht, in der Tränen nicht fließen können, weil du zu beschäftigt bist. Der Tag verging, ohne dass sich an dem Gefühl etwas änderte oder es schreckliche Gewissheit über ein Übel gab.

An Schlaf war abends kaum zu denken, ich fiel in einen tiefen und traumlosen Schlaf. Nach einer kurzen Nacht war das Gefühl nicht fort. Dennoch empfand ich es wohltuend aufzuwachen, denn im ersten Moment nach dem Aufwachen ist die Welt noch in Ordnung. Dieser kleine, winzige Moment, in dem du die Augen öffnest, keinen Schmerz spürst und keine Sorgen hast. Dieser winzige Moment, nicht länger als ein Wimpernschlag, der die Hoffnung nicht sterben lässt. Wenn der Aufwachmoment vorbei ist, kommen die Gedanken zurück. Immer. Auch an diesem Dienstagmorgen, verregnet, wolkenverhangen und grau. Ein lähmendes Grau, das ein Unheil verheißt. Ein Unheil, das unweigerlich auf dich zukommen wird, so sehr du auch versuchst zu fliehen. Der Fluchtgedanke, der Überhand nehmen kann, wenn du dich nicht zusammenreißt. Die Gedanken verfolgen dich in den Tag und die Stimme, die dir sagt, es würde etwas Schlimmes geschehen, schweigt nicht. Du betäubst die Stimme morgens mit Kaffee, dann mit grünem Tee und abends mit Alkohol, weil sie nicht schweigen will.

Die Kaffeemaschine lief bereits als ich an diesem Dienstag die Küche betrat. Für einen Moment durch den Kaffeeduft mit der Welt versöhnt, setzte ich mich. Ein wenig Müdigkeit verscheuchte ich mit der ersten Tasse Kaffee, doch schwere Gedanken lassen sich von Koffein nicht beirren. Sie schwirren weiter durch den Körper. Ich atmete mehrfach tief durch. Kurz nach dem Frühstück war es so weit.

Ein schlimmer Gedanke durchzuckte mich wie ein Blitz. Nur vage, aber doch deutlich wusste ich, dies bedeutete Tod. Ich nahm Kälte wahr. Kälte, die nicht vorhanden war. Kälte, die mich zittern ließ von einem wehenden Umhang. Vom Sensenmann. Ein wehender Umhang, der lautlos pfiff. Die helle Klinge der Sense, die im Mondlicht so verführerisch glänzte. Ich schaute hinaus. Bewegte sich da nicht etwas unter unserer Birke? Warf ein schwaches Licht einen hellroten Schein auf unsere Beete?

Ich schüttelte energisch den Kopf, um den Nebel im Kopf zu vertreiben.

Dann geschah es. Mein Mann kam aus seinem Büro hinauf in die Küche und sagte diesen Satz: „Steini ist tot“. Da wusste ich, meine Vorahnung hatte sich bestätigt. Ein guter Freund war von uns gegangen. Ein Freund, der sich selbst als Charakterzwerg bezeichnete und über dessen Witze wir noch heute lachen. R.I.P. Steini.

© Stephanie Süss 2023-12-22

Genres
Spiritualität, Lebenshilfe
Stimmung
Dunkel, Emotional, Hoffnungsvoll, Reflektierend, Traurig
Hashtags