von Erwin Pröll
Alljährlich am 29. Mai läutete mein Telefon. Am anderen Ende war Abt Burkhard. Er gratulierte mir zu meinem Namenstag. Und er tat das nicht nur mit einer ehrlichen Herzlichkeit, sondern auch mit der Überzeugung seines festen katholischen Glaubens . Zwar hat er auch nie auf meinen Geburtstag vergessen, aber seine Glückwünsche zum Namenstag waren anders. Der Namenstag als Ausdruck der Gottesbeziehung, der Namenspatron als Vorbild und Fürsprecher. Man spürte, welchen Stellenwert er dem Gedenktag des Namenspatrons zuschrieb. Auch wenn diese Begebenheit nur ein kleines Detail darstellt, so offenbart sie doch jenes Werte- und Glaubensfundament, auf dem Abt Burkhard stand. Eine derart tiefe Glaubensverankerung überrascht bei einem Gottesmann wie ihm nicht, und dennoch war sie beeindruckend. Felsenfest, aber nicht dogmatisch. Überzeugt, aber nicht intolerant. Beseelt, aber nicht besserwissend.
Im Zusammensein und aus den Gesprächen mit Abt Burkhard konnte man viel mitnehmen. Ich hatte das große Glück, Abt Burkhard lange zu kennen und deshalb oft mit ihm zusammenzutreffen – bei offiziellen Anlässen ebenso wie in privater Atmosphäre. Das erste Mal persönlich begegnet sind wir einander im Jahr 1980 bei der Eröffnung der Landesausstellung im Stift Melk. Wobei ich zugeben muss, dass ich beeinflusst in dieses Zusammentreffen gegangen bin – und das in doppelter Hinsicht.
Zum einen hatte ich Abt Burkhard einige Zeit vorher bei einer Festveranstaltung in Großriedenthal erlebt. Zum anderen hatte Andreas Maurer – ich war gerade erst als junger Landesrat angelobt worden – vor der besagten Landesausstellungseröffnung in höchsten Tönen von und über Abt Burkhard gesprochen. Und vieles von dem, was mir Maurer über ihn erzählt hatte, sollte sich bei dieser ersten Begegnung bewahrheiten. Abt Burkhard eilte mit den Ehrengästen rund um Bundespräsident Kirchschläger durch die Ausstellung, ließ sich dabei aber nie aus der Ruhe bringen und behielt Überblick. Ein Wesenszug, den ich immer wieder bei ihm ausmachte – Zurückhaltung und Demut nach außen, dennoch Weitsicht und Führungsstärke als Kompass aus dem Inneren.
Abt Burkhard wusste um die Aufgabe, die er als Führungspersönlichkeit trug, und um die Verantwortung, die das historische Erbe von ihm verlangte. Dem widmete er sich mit ganzer Kraft. Er war ein Vorbild im Vorleben von Nachsicht und Toleranz, von Pflichtbewusstsein und Ethos. Die Leidenschaft, mit der er wirkte, war ansteckend. Am deutlichsten kam sie zum Ausdruck, wenn er Gäste mit Stolz durch „sein“ Stift führte und Einblick in sein immenses und detailreiches Wissen um die Stifts- und Kirchengeschichte gewährte.
Viele kluge Gedanken und bereichernde, interessante Gespräche verdanke ich Abt Burkhard. Gespräche im wahrsten Sinn „über Gott und die Welt“. Gespräche mit einer Persönlichkeit, die durch Eloquenz und Charisma faszinierte – und von der ich viel lernen konnte.
Erwin Pröll (Landeshauptmann a.D.)
© Erwin Pröll 2022-09-12