von Herbert Schieber
Ich bin mit dem Auto auf der Südautobahn unterwegs. Ich komme aus Wien und fahre in Richtung Baden.
Kurz nach der SCS eine Radiomeldung: „Vorsicht! Auf der A2 befindet sich zwischen Baden und der Wiener Stadtgrenze ein Geisterfahrer. Fahren sie rechts und überholen sie nicht. Wir geben Entwarnung, sobald der Geisterfahrer die Autobahn verlassen hat!“ Vor mir sehe ich rote Bremsleuchten. Alle fahren langsamer und halten sich rechts. Auf den Überkopfwegweisern steht in großen Lettern ‚Vorsicht Geisterfahrer!‘
Ich fahre im Jahr etwa 55.000km und mir ist in den letzten 25Jahren schon viel untergekommen. Auch schon Geisterfahrer.
Meine erste Erfahrung machte ich auf der Westautobahn bei einer abendlichen Heimfahrt aus Linz. Mein Auto ist rot durchflutet. Es ist die Sonne, die gerade hinter mir mit wunderschönem Farbenspiel untergeht. Mein Blick wandert ständig zwischen der Autobahn vor mir und dem Rückspiegel. Im Spiegel sehe ich den Sonnenuntergang. Die Blicke wandern vorwärts… Spiegel… vorwärts… Spiegel… vorwärts… Sp…. vorwärts… vorwärts… ich traue meinen Augen nicht. Ich sehe Bremsleuchten und dann… ein weißes Scheinwerferlicht, das mir entgegenkommt. Mein erster Gedanke bei diesem Anblick ist, ein Geisterfahrer! Instinktiv werde ich langsamer und ordne mich rechts ein, noch etwas rechter, noch etwas rechter… Falsch! Panik! Links rüber… links rüber… kurz nachdem ich es auf die linke Fahrspur geschafft habe, fährt der Geisterfahrer, ein betagter Herr mit Hut, rechts am Pannenstreifen an mir vorbei. Glück gehabt!
Ein anderes Mal bin ich frühmorgens mit zwei Kunden wieder auf der Westautobahn in Richtung Salzburg unterwegs. Ein bisschen fachsimpeln, Witze werden gemacht, alle sind schon gut drauf. Es wird sicher ein toller Tag. Plötzlich leuchten vor mir Bremslichter auf. Die Autos werden langsamer. Ich auch. Alle versuchen sich rechts einzuordnen. Siehe da! Zwischen Mittelleitschiene und Straße steht am Grünstreifen ein Auto, entgegen meiner Fahrtrichtung. Im Schritttempo fahre ich vorbei. Wir sehen darin eine Frau mit panisch aufgerissenen Augen sitzen. Man konnte ihre Gedanken fast lesen: ‚Wo kommen plötzlich die vielen Geisterfahrer her?‘ Kurz nach dieser Begegnung ein Parkplatz. Offensichtlich ist die Dame nach einem Klogang, versehentlich gegen die Fahrtrichtung wieder auf die Autobahn aufgefahren. Den Rest der Fahrt wird über Klischees im Verkehr gewitzelt.
So, zurück auf die Südautobahn. Trotz intensivster Warnhinweise im Radio und auf den Überkopfanzeigen, gibt es immer noch lebensmüde Raser. Mit unvermindertem Tempo überholen sie stolz den eingebremsten Verkehr. Wahrscheinlich sind diese gefährlicher als die oft nur verirrten Geisterfahrer.
Bis zum Knoten Guntramsdorf, wo ich Richtung Eisenstadt abbiege, ist mir kein Geisterfahrer begegnet. Im Radio habe ich keinerlei Meldung mehr dazu wahrgenommen. Naja, gut is‘ ‚gangen, nix is‘ g’schehn!
© Herbert Schieber 2019-10-16