Vorurteile

Beederl

von Beederl

Story

Viele Sprichworte, denen ich als Kind ausgesetzt war, sind “Wahrworte” und auch hilfreich. Meine Eltern – selber nicht übermäßig gebildet – liebten diese Phrasen. Ich hörte sie täglich, zu allen möglichen Gelegenheiten und Begebenheiten. Und als Kind saugst du vieles (alles?) auf, was dir geboten wird – du bist ja noch ein leeres Fass!

Dazu kamen dann Lieder und Schlager und die wenigen Radio- und Fernsehsendungen, die am Tagesprogramm standen. So kann ich heute noch die Texte von Heinz Conrads. Sonntagmorgen liegend bei der Mama im Bett, wo ich nicht so oft hindurfte: “…schau doch auf die Uhr, es ist schon spät – die schönste Zeit am raschesten vergeht! War nicht alles klug, was ich gesagt – hab nicht gedacht und nur mein Herz gefragt!”

“… dies war die singende, klingende, … bringende Wochenplauderei…… liebes Österreich, komme ich wieder, am nächsten Sonntag – ich bin so frei!” Sowas brennt einen Stempel in dein Hirn – die Sprüche meiner Eltern inklusive. Und diesen manchmal ersehnten “Reset-Knopf” gibt es nicht. Manche reden von “Programme-löschen”, das habe ich noch nicht versucht.

Aber die Vorurteile, die in dieses Schema passen, die Bissigkeit teilweise, die Süffisanz, Schadenfreude kommen ständig hoch. Oft würde ich es nennen: “Wer andere erniedrigt, glaubt, sich selbst damit zu erhöhen”. Beispiele gefällig:

.) (ein alter Mensch stirbt): Der wäre eh nimmer gewachsen! (–lustig und grauslich zugleich!)

.) kleine Männer sind Giftzwerge (viele haben sicher einen ganz eigenen Geltungsdrang – siehe Geschichtsbeispiele)

.) aus Schaden wird man klug – aber selten reich

.) “verkehrte Welt”, wenn nicht um zwölf Uhr Mittag gegessen wird

.) beim Nähen: “langes Fädchen – faules Mädchen” (weil man nichts weiterbringt)

.) wenn man sich nach dem Essen hinlegt: “Speck züchten!”

.) „Schlecht gefahren ist besser als gut gegangen” (wenn man ein wenig komfortables Fahrzeug ergattert)

.) “an diesen Menschen brauchst nicht einmal anstreifen” – wenn einer einen schlechten Ruf hat

.) “Schulden zu machen kommt einfach nicht vor – nur wenn du dir was erspart hast, kannst du auch was kaufen!”

Beliebig erweiterbar!

Es wurde wenig hinterfragt – es wurde oft einfach nur geurteilt, verurteilt, abgewertet. In Liedern wurde damals manches verarbeitet und auch wieder geschürt. Man fühlte sich bestätigt – es dürfte ein Zeichen der Zeit gewesen sein, seine eigene Meinung als absolut zu nehmen.

“Wast von wos des kummt? Weil’st Nägel beisst – und außerdem gehts muagn glei zum Frisör!”

Und so wollte ich meinem geschätzten Schwiegersohn letztens einen von mir geschätzten Singer-Songwriter nahebringen, weil auch ersterer so einer ist. “…was kann das schon sein, wenn einer ”Schlager“ mit Nachnamen heisst!?“, so die lapidare Ablehnung. Mühsam versuche ich, wertvolle Sprüche zu behalten, weniger schöne durch Umdenken zumindest seine Schärfe zu nehmen. Und meine Freundin hinterlässt einen hilfreichen Spruch: “… ich muss nicht alles verstehen!”

© Beederl 2022-05-31

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