von Berit Glaser
Gestern Kontrolle beim Doktor Gyn. Kurzes Geplänkel und da sitz ich schon unten ohne auf dem Stuhl. Er fährt auf seinem Drehhocker mit Schwung an meinen offenen Beinen vorbei zum Schrankerl mit seinen Gerätschaften und zieht eine Lade auf, vollgestopft mit Spreizzangendingern. Das hab ich noch nie gesehen. Also die Zangen schon, aber dass da gar soviele in einer Lade wohnen? Ich so Geistesblitz und ein bissl, damit was gesagt ist, „gibt’s da unterschiedliche Größen?“ Er, irritierter Blick über MundNasenSchutz-Rand, „ja, natürlich.“ Ich, ehrlich erstaunt, weil vielleicht logisch aber drüber nachgedacht hab ich halt noch nie und außerdem, woher weiß der, ohne dass der noch richtig hingeschaut hat, welche von denen der jetzt braucht für mich? „Und da wissen Sie sofort, welche von denen Sie da jetzt brauchen für mich?“ Wieder der Blick, eine Ecke belustigter oder angenervter als vorher, ich kann das mit dem halben Gesicht immer nie so ganz deuten. „Ich sitz da ja nicht erst seit gestern.“
DIE Chance auf eine ausgebildete Meinung. Nämlich extrem pseudowissenschaftlich, wenn wir sowas im Freundinnenkreis besprechen. Das Thema kommt auf, bei so Überlegungen, was für ein Typ Mann man wär, wenn man (Gott bewahre) ein Mann wär und ob die anderen drauf stehen würden und so. Ich sag dann gern der ein oder anderen, dass sie fix einen kleinen Zipfel hätte. Das findet die dann immer die totale Oberfrechheit, nicht, weils scheiße is, egal wen auf seinen Körper zu reduzieren und das ständige sexualisieren von allem voll 2008, sondern weil dann doch jede will, dass die anderen glauben, sie hätte den größten. Ich hab leicht lachen, weil ich wär von allen am besten bestückt, das ist völlig klar. Unter die Gürtellinie wird zurückgeschossen, dass ich dafür bestimmt die größte Mu hab. Völliger Blödsinn, sag ich und andere von wegen logisch, Körpergröße hallo? Ich dann so stimmt nicht, hat nix zu tun mit Organgröße, Körperöffnungen blabla. Aussage gegen Aussage, wir kommen nicht weiter.
Jetzt ich zum Herrn Doktor, „also wir reden manchmal so von wegen große Menschen, lange Gliedmaßen, große Organe und -“ ich such noch nach einer Formulierung, da hat er schon verstanden und lacht, dass er das, zumindest was das weibliche Geschlechtsorgan betrifft, nicht bestätigen kann. Hab ich’s doch gewusst! Er werkelt, ich überwinde mich, „also ohne das zu werten, ähm, welche Zangengröße brauchen Sie denn so für mich?“ Definitv belustigter Blick, „Medium“. Ich nicke, sag, dass das Sinn macht, wie bei der Kleidergröße, M geht immer.
Länger denk ich drüber nach, wie überhaupt nicht lustig dieser ganze Körperwahn ist und wie tief sie sitzt, die genitale Unsicherheit, die haben zu müssen uns von der (Porno-)Industrie und sonstigen Idioten schon früh beigebracht wird. Das gilts zu durchbrechen, weil wie geil is es bitte, dass wir alle so individuell sind innen wie außen und dann doch so ähnlich? Ich sag nur soviel, Freundinnen und restliche Welt: Viva la Vulva!
© Berit Glaser 2021-01-21