von Michele
Der tägliche Weg zur Waage, das kontinuierliche Kontrollieren meines Gewichts – diese kleinen Zahlen, die erscheinen und die Kontrolle darüber, wie sie im Vergleich zum Vortag stehen. Habe ich zugenommen? Verdammt, warum? Ich habe extra weniger gegessen und mehr Sport gemacht als üblich. Mein Bauch fühlt sich wieder dicker an und auch meine Beine.
Vielleicht sollte ich heute gar nichts mehr essen. Nein, besser noch, die ganze Woche auf Nahrung verzichten. Nur eine Mahlzeit am Tag, das sollte reichen. Wasser trinken und die Spaziergänge mit meinem Hund verlängern. Warum nehme ich nur zu? Ich kann mich nicht ausstehen. Ich wiege viel zu viel.
Ich bin hungrig, unglaublich hungrig. Mein Magen knurrt, aber gleichzeitig ekelt mich das Essen an. Der Geruch allein macht mir Übelkeit. Ich kann nicht essen, es widert mich an.
Wieder der Weg zur Waage. Ein Kilo abgenommen, aber das ist nichts. Ich befinde mich immer noch im höheren Bereich des Normalgewichts. Ich muss mehr abnehmen, mindestens noch 5 Kilo. Ich muss an der Grenze des Normalgewichts landen, vielleicht sogar wieder kurz vor der Magersucht. Damals war ich viel dünner und schöner.
Der Hunger treibt mich in den Wahnsinn, aber ich darf nichts essen. Wenn ich jetzt etwas esse, nehme ich wieder zu. Ich darf nicht zunehmen! Mein Gewicht ist viel zu hoch. Ich verabscheue meinen Körper, ich bin viel zu dick.
Ich weiß, dass ich etwas essen muss, um gesund zu bleiben. Diese rationale Stimme in meinem Kopf versucht gegen die Dunkelheit meiner Gedanken anzukämpfen. Aber die Angst vor der Gewichtszunahme ist überwältigend. Jeder Bissen fühlt sich an wie ein Schritt näher an die Furcht, die mich lähmt.
Es ist ein endloser Kampf in meinem Kopf. Eine Seite sagt mir, dass ich essen muss, um am Leben zu bleiben, um gesund zu sein. Doch die andere Seite schreit lauter, warnt mich davor, dass jeder Happen, den ich zu mir nehme, mich in Richtung des Unbekannten, des Unkontrollierbaren führt – zu einem Ort, den ich fürchte.
Meine Augen sehen Essen, aber mein Verstand sieht Kalorien, die sich auf meinen Hüften ablagern. Jedes Stück Nahrung löst eine Panik aus, die mich lähmt. Es ist eine verzerrte Realität, in der das Essen nicht mehr Nahrung bedeutet, sondern eine Bedrohung darstellt.
Ich fühle mich gefangen in einem endlosen Teufelskreis aus Zwängen und Ängsten. Die rationale Seite verliert an Stärke, während die Angst vor der Zunahme immer lauter schreit. Ich weiß, dass es falsch ist, aber diese Emotionen sind überwältigend.
Flüchtige Gedanken, die mich an Tagen wie diese quälen.
© Michele 2023-12-21