Wachsen Karotten auf Beton?

JanGroenhain

von JanGroenhain

Story

Einmal, höchstens zweimal im Jahr taucht das Thema in den Medien auf. Da wird in TV und Print eifrig darüber berichtet. Politiker schwingen dann montags schöne Sonntagsreden und erklären, wie wichtig das Thema sei und was sie unternehmen würden, um gegenzusteuern. Nach drei Tagen herrscht wieder Stille und es passiert… offensichtlich nichts.

Es geht um den Bodenverbrauch. Pro Tag werden in Österreich 13 Hektar grüner Boden neu verbaut (2019), für Gebäude, Straßen und Parkplätze. Oder anders gesagt: knapp 50 km² pro Jahr gehen unwiederbringlich verloren. Oder knapp 100 m² pro Minute, und das Tag und Nacht. Dank fleißiger Bauarbeiter. Vor 20 Jahren waren es sogar noch mehr, aber ist das ein Trost? Im Jahr 2002 wurde eine Nachhaltigkeitsstrategie erstellt, in welcher festgehalten wurde, dass bis zum Jahr 2010 der Verbrauch auf 2,5 Hektar pro Tag reduziert werden sollte. Es war eine publikumswirksame Marketingübung und hatte leider keine Verbindlichkeit. Ziel verfehlt, würde ich sagen. Oder „Nicht Genügend“, um in Schulnoten zu sprechen. Dagegen gibt es 130 km² brach liegende Industrieflächen bei uns.

Ein Fehler liegt im Versagen der übergeordneten Raumordnung und fehlender verpflichtender Vorgaben in der Raumplanung. Das Kirchturmdenken ist immer noch weit verbreitet. Jede kleine Gemeinde buhlt um Industrie- und Gewerbeflächen. Das Bauen auf der grünen Wiese ist viel einfacher und kostengünstiger als brachliegende Flächen zu reaktivieren. Das Umwidmen von Agrarland wird immer noch mit dem Argument praktiziert, Arbeitsplätze zu schaffen und Steuereinnahmen zu sichern. Für den eigenen Kirchturm.

Das hat dazu geführt, dass an vielen Ortseinfahrten ein überaus hässlicher Einheitsbrei an Super-, Bau-, und Drogeriemärkten sowie Bekleidungsdiskontern entstanden ist. Jeder Markt ist ausgestattet mit großen Parkplätzen. Warum ist es nicht möglich, diese Shops in einem (schöneren) Gebäude unterzubringen und Tiefgaragen vorzuschreiben? Das würde viel verbrauchte Fläche einsparen. Oder einfach die Ortszentren und Innenstädte mit Anreizen wieder attraktiver machen. Fast alle größeren Orte haben heute mit Leerständen in den Zentren zu kämpfen. Kein Wunder, denn Österreich hat die größte Verkaufsfläche im Handel pro Einwohner.

Wenn ich in Südtirol unterwegs bin, so sehe ich dort kaum leere Geschäfte in den Zentren. Dafür gibt es größere Gewerbegebiete. Können es unsere Nachbarn besser?

Das Online-Shopping floriert. Dafür braucht es immer mehr neue Großlager, Logistik- und Warenverteilzentren. Die werden als hässliche Kuben auch mitten auf die grüne Wiese gestellt, auf bestem, ebenem Agrarland. Da wachsen keine Karotten mehr.

Die Perspektive? Bald wird es an den Stadträndern leerstehende Shops geben. Die dienen dann als Konsumruinen. Aber vielleicht kommt auf das Dach eine Photovoltaikanlage, damit in der Halle Karotten in Plantagen gezogen werden können, anstatt direkt am Feld. Na toll!

© JanGroenhain 2021-06-08

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