Wald.Regen.Leben

Anna Geier

von Anna Geier

Story

Es regnet und regnet und wenn es genug geregnet hat, dann hört es wieder auf. So viel Nass wie schon seit vielen Jahren nicht mehr, kommt herunter. Die Brunnen sind voll mit Wasser. Die Bäche füllen sich. Es rinnt und plätschert. Genau so ein Wetter habe ich mir schon lange gewünscht.

Der Wald hat wieder eine andere Farbe bekommen. Das satte Grün, das ging mir schon lange ab. Als ich im April und Mai die schon lange dürstenden Bäume sah, die bereits ihre Farbe veränderten in Richtung braungrün, da kam mir das Entsetzen.

Der Wald hatte schon lange eine Fastenzeit, war ausgehungert und ausgetrocknet. Der Borkenkäfer begann die Herrschaft zu übernehmen. Gebietsweise wurde im Waldviertel schon abgeholzt, denn die abgestorbenen Bäume, die der Käfer bereits erobert hatte, gehörten aus dem Wald hinaus. Kahle Flächen blieben stellenweise übrig.

Ich redete mit den Bäumen und jammerte mit ihnen: „Ihr müsst durchhalten! Ich kann euch kein Wasser geben. Schaltet auf Sparflamme!“

Endlich gab es Regen im Juni und Juli. Der Regen fiel nicht nur senkrecht herab. Da regnete es kreuz und quer. Die Regentropfen tanzten und fielen überall hin. Der Wind peitschte die Wassermassen heran. Die letzten Tage zeigten, was das Wasser kann. Dauerregen bescherte uns ausreichende Nässe. Überall ist der Boden gesättigt. Jeder Schritt auf dem Boden lässt spüren, dass alles vollgesogen ist.

Es ist Anfang August und es ist nebelig wie im Herbst. Sommer ist heuer kaum anzutreffen, dafür gehe ich wie auf Wolken. Im Wald sind die Moospolster vollgesogen und bei jedem Schritt versinkt man im feuchten aufgeweichten Boden. Die Stoßdämpfer in der Natur sind aktiviert, ein besonderes Gefühl steigt in mir auf. Auf die Moospolster kann man sich zur Zeit nicht legen. Oder doch? Das wäre ein neues Wellnesserlebnis.

Die Nebelschleier hängen im Tal und über den Wäldern. Die Schwammerl können sprießen. Der Himmel ist grau und wasserverhangen. Kein Fünkchen Sonne ist zu sehen. Im Moment gibt es nur mehr das das Element Wasser. Das Myzel im Boden hat jetzt Hochsaison und begann zu sprießen. Bei meiner Spazierrunde habe ich Unmengen an Parasolen zugewunken und gerufen: “ Ich fress euch nicht, ihr seid zu viele, braucht keine Angst vor mir zu haben. Habt einen schönen Aufenthalt im Wald!“. Da kam ein Schwammerlsucher mit seinem E-Bike daher und hat sie für ein Mittagessen eingesammelt. Er erzählte mir, dass es mit seinem neuen E-Bike ein Vergnügen sei, auf Schwammerlsuche zu fahren. Es war 11.30 und zu Mittag sollten die gebackenen Parasole auf dem Tisch stehen, daher brauste er schnell nach Hause.

Gehen ist eine wunderbare Art der Fortbewegung, besonders im Wald. Nein, ich jogge nicht und kein Jäger wird mich mit einem Reh verwechseln. Ich bin gerne im Wald, um tief durchzuatmen. Waldwellnessen nenne ich mein Begehr.

© Anna Geier 2020-08-05